Inventare Teil 7. Inventar des Wiener Hofkammerarchivs (1951)
Das Wiener Hofkammerarchiv
XXVI Das Wiener Hofkammerarchiv Ein gütiges Geschick ließ aber das Archiv auch das Bombardement des Jahres 1809 ohne Schaden überstehen. Archivdirektor Georg Belak hatte vorsorglich die „wichtigsten hofkammeracta einpacken und in ein unterirdisches gemach zur Verwahrung transportieren“ lassen, doch auch „die übrigen im saale noch stehen gebliebenen archivsacten“ erlitten „durch die stete anwesenheit der archivsindividuen, durch treue Verschwiegenheit und entschlossene abweisung aller feindlichen Offiziere“ nicht den geringsten Verlust. Übrigens auch abgesehen von der Feuersgefahr, das alte Kaiserspital genügte räumlich längst nicht mehr den Notwendigkeiten des Archivs. „Obwohl“, so schreibt Direktor Johann Georg Megerle v. Mühlfeld bereits 1817, „das k. k. hofkammerarchiv, welches nun schon durch volle 40 jahre in dem sogenannten alten kaiserspitalsgebäude am Ballplatze untergebracht ist, zur aufstellung seiner durch volle drey Jahrhunderte fortlaufenden aktén einen die ganze länge des platzes einnehmenden, beinahe 27 klafter langen saal, ausserdem aber noch für einen jeweiligen director ein kleines, dann für das angestellte personale ein grosses arbeitszimmer und nebstdem noch ein Vorzimmer für die dienerschaft besitzet, so befand sich dasselbe doch schon, und zwar vorzüglich wegen der sich immer erneuernden materialzuflüsse zu wiederholten mahlen in grosser Verlegenheit“. Nun wurde der Raum, in dem „13 individuen“ arbeiteten, durch das neuerbaute Modena-Palais in der Herrengasse auch noch „seiner vorzüglichsten lichte“ beraubt — die Verhältnisse wurden immer schwieriger, immer unleidlicher. Und dabei wuchsen dem Archiv laufend neue Bestände zu: 1825 gab die Hofkammer „die in der kameral- und bankalregistraturs-abtheilung vorhandenen älteren aktén bis einschlüssig des jahres 1808, sowie die in der kreditsregistratur verwahrten aktén bis einschlüssig des Jahres 1810“ an das Archiv ab, zusammen über 1100 Faszikel, und 1828 hatte dieses 649 Faszikel Kommerzakten 1801—1813 und 71 Faszikel italienische Kameralakten 1796—1813 zu übernehmen. Dieser Segen war in den Räumen des alten Kaiserspitals nur mehr[ganz behelfsmäßig zu bergen, und so mußte man, auch angesichts der noch weiter zu erwartenden Zuwächse, doch daran denken, dem Hofkammerarchiv ein eigenes Gebäude zu widmen. Es war eine freundliche Fügung, daß der Bau des neuen Hauses und die Übersiedlung des Hofkammerarchivs, diese glückhafte Wende seiner räumlichen Entwicklung, in die Zeit fiel, da Österreichs größter Dichter, Franz Grillparzer, die Leitung innehatte (1832—1856). Bei der Platzwahl hatte man sich für den in der Johannesgasse gelegenen, schon recht verfallenen Teil des (Klein-) Mariazellerhofes entschieden, der nach der Aufhebung des Klosters unter Joseph II. (3. November 1782) ins Staatseigentum übergegangen war. 1842 legte man das alte Gemäuer — es war einst der Wirtschaftshof der der Annagasse zugekehrten (Klein-) Mariazeller Prälatur gewesen — nieder und baute in den Jahren 1843—1846 das neue, stattliche Haus, das erste Archiv-Zweckgebäude Österreichs. Planverfassung und Bauführung lag bei dem als „bürokratisch“ verlästerten Hofbaumeister Paul v. Sprenger, dem Grillparzer mit den Erfordernissen des Archivs die Aufgabe stellte. Es war, gemessen an dem, was man bis dahin und für die Unterbringung der anderen Zentral- und Länderarchive noch auf Jahrzehnte hinaus für möglich hielt, eine ausgezeichnete Lösung, die auch heute noch (nach Durchführung einiger zeitgemäßer Änderungen) befriedigt: der Straßentrakt birgt in jedem der vier Stockwerke einen die ganze Front breite (5 Fenster) erfüllenden, von Pfeilern und Säulen getragenen Lagersaal, in den mit Geschick raumsparende,