Inventare Teil 5. Band 7. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)
Die unter Vorbehalt des Privateigentumsrechtes hinterlegten Archivkörper und Sammlungen, von Fritz von Reinöhl
Bermannsche Materialien — Orden vom Goldenen Vlies. 413 Mit König Karl II. starb sie am 1. Nov. 1700 aus. Dieser Fall war weder in den Ordensstatuten vorgesehen noch hatte Karl II. letztwillige Anordnungen über die Nachfolge in der Souveränität des Ordens hinterlassen. Um das Erbe Karls kämpfte die österreichische Linie des Hauses Habsburg und Philipp von Anjou. Am 4. Mai 1701 nahm dieser aus dem Titel, Erbe der spanischen Monarchie zu sein, die Würde des Souveräns in Besitz. Sein Gegner Karl, der sich als König von Spanien der Dritte nannte, tat dies gleichfalls am Tage vor seiner Krönung zum deutschen Kaiser, am 21. Dez. 1711, als ältestes männliches Mitglied jenes Hauses, auf welches die Souveränität des Ordens nach dem Aussterben des Geschlechtes der Ordensgründer statutengemäß übergegangen und in männlicher Deszendenz verblieben wäre. Der Abschluß der Kämpfe um das spanische Erbe brachte keine Klärung des Streites um die Souveränität des Ordens. Philipps Bemühungen, Karl zu einem Verzicht zu bewegen, schlugen fehl. Dasselbe Schicksal war wiederholten diplomatischen Schritten Spaniens bei Maria Theresia beschieden, deren Gemahl Franz Stefan gemäß Artikel 65 der Statuten die Würde des Souveräns des Ordens in Besitz genommen hatte. Die Abstammung aus dem Geblüt des Stifters, die Rechtsnachfolge nach dem Hause Burgund war die Voraussetzung für die Nachfolge in der Würde des Chefs und Souveräns des Ordens. Der Bestand des Ordens wurde daher auch weder durch das französische Gesetz vom 30. Juni/6. August 1791, welches in Frankreich und in den eroberten Gebieten die Ritterorden aufhob, noch durch den Verlust der Niederlande im Jahre 1794 bedroht. Der Sitz des Ordens wurde damals von Brüssel nach Wien verlegt. Der Streit um die Großmeisterschaft des Ordens, der durch das Aussterben der spanischen Habsburger ausgelöst worden war, wurde niemals beigelegt. Der Orden blieb in einen österreichischen und spanischen Zweig gespalten. Der Zusammenbruch von 1918 hat die Rechtsgrundlagen des Bestandes des österreichischen Zweiges des Ordens in Frage gestellt. Der Orden vertritt jedoch die Auffassung, daß das Oberhaupt des Hauses Habs- burg-Lothringen nach wie vor der Souverän des Ordens sei. Am 27. Jan. 1431 hatte der Orden seine Statuten erhalten, die wiederholt geändert wurden. Von besonderem Belang ist die Änderung, welche Karl VI. 1712 vornahm, da sie dem österreichischen Zweig des Ordens die Statuten gab. Die Zahl der Ordensritter, ursprünglich 24, wurde durch die Statuten des Jahres 1431 auf 30 erhöht. 1517 wurde sie mit 50 festgesetzt und stieg, nachdem Philipp II. und Philipp III. das Recht, die Ordensritter zu wählen, dem Kapitel entwunden hatten, ins Ungemessene. Die Statutenänderung Karls VI. legte das Recht des Ordenssouveräns, nach freiem Ermessen die Ritter zu ernennen, fest und beschränkte deren Zahl auf 50, in welche jedoch alle Souveräne und Erzherzoge, die zur Erhöhung des Glanzes des Ordens aufgenommen werden sollten, nicht eingerechnet wurden. Das Ordensleben hatte nach den Statuten seinen Mittelpunkt in den Generalkapiteln. Sie sollten ursprünglich alljährlich stattfinden; eine Statutenänderung von 1446 setzte fest, daß sie in jedem dritten Jahr einzuberufen seien. Karl der Kühne machte die Abhaltung der Generalkapitel