Inventare Teil 5. Band 7. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)

Die unter Vorbehalt des Privateigentumsrechtes hinterlegten Archivkörper und Sammlungen, von Fritz von Reinöhl

rufen, in welchem er sich der verfassungstreuen Linken anschloß. Das Scheitern der böhmischen Ausgleichsverhandlungen veranlaßte ihn, seine Tätigkeit nunmehr der äußeren Politik und den gemeinsamen Angelegen­heiten der Monarchie zu widmen, was ihm seine ständige Zugehörigkeit zur Delegation erleichterte. Er rang sich zu der Erkenntnis durch, daß die Lösung der südslawischen Frage für den Bestand der Monarchie von wesentlicher Bedeutung sei. Er galt als der beste Kenner Bosniens und der Herzegowina. Nach dem Ausbruch des Weltkrieges sammelte er mit Gustav Marchet einen Kreis von Parlamentariern und Wirtschaftsmännern, welche sich mit der Vorbereitung des nächsten Ausgleiches mit Ungarn und dem Wiederaufbau der Monarchie nach dem Kriege befaßten. Er rief die „Kriegspatenschaft“ ins Leben. Vom 20. Dez. 1916 bis 23. Juni 1917 ge­hörte er abermals als Minister ohne Portefeuille der Regierung an; in dieser Stellung erwarb er sich große Verdienste um die soziale Fürsorge. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie zog sich Baernreither als stiller, aber achtsamer Beobachter der politischen und gesellschaftlichen Vorgänge zu­rück. Hochbetagt ist er am 19. September 1925 zu Teplitz gestorben.1 In seinem Testament setzte Baernreither den damaligen Direktor des StA. Freiherrn von Mitis (vgl. Bd. I S. 90), den ehemaligen k. k. Handels­minister Karl Urban und den ehemaligen k. k. Finanzminister Joseph Red­lich als Erben seines beträchtlichen und wertvollen schriftlichen Nachlasses mit Ausnahme seiner privaten Papiere ein, welche er seinen Erben über­ließ. Zugleich traf er die Anordnung, daß der Nachlaß mit Ausnahme der letztgenannten Papiere im StA. verwahrt werde und unter bestimmten Be­dingungen veröffentlicht werde. Hiefür widmete er einen Fonds, dessen allfälliger Überschuß wissenschaftlichen Arbeiten zur Geschichte Österreich- Ungarns in den Jahren 1815—1914 zugeführt werden sollte. Die Inflations­zeit hat ihn leider stark entwertet. Im Herbst 1925 wurde der Nachlaß in das StA. gebracht und von Mitis einer ersten Ordnung unterzogen. In die Reihe der Erben des Baernreitherschen Nachlasses, welche sich als „Baern- reither-Kuratorium“ bezeichnen, wurde durch den am 21. Nov. 1936 in Wien erfolgten Tod Joseph Redlichs eine Lücke gerissen. Das Kuratorium beschloß, sie durch den Eintritt des jeweiligen Direktors des StA. auszu­füllen. Die Benützung des Nachlasses ist an die Zustimmung des Kurato­riums gebunden. Verzeichnis. Personalakten und biographisches Material. Archivalische Studien Baernreithers, Schachtel 1; Literaturstudien Baernreithers, Schachtel 2, 3; Tagebücher, Schachtel 4—7; Einzelne Tagebuchnotizen und Bruchstücke von Tagebüchern, Schachtel 8; Verschiedene literarische Arbeiten, Zei­tungsartikel und Reden Baernreithers, Schachtel 9, 10; Manuskripte der für den Druck bestimmten Lebenserinnerungen, Schachtel 11, 12; Ministe­rium für Volksgesundheit und soziale Fürsorge, Schachtel 13; Gesetzes­410 Unter Vorbehalt d. Privateigentumsrechtes hinterlegte Archivkörper u. Sammlungen. 1 Vgl. Joseph Redlichs biographische Skizze in Joseph M. Baernreither, Fragmente eines politischen Tagebuches. Die südslavische Frage und Österreich-Ungarn vor dem Weltkrieg. Herausgegeben von Joseph Redlich. Berlin 1928.

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