Inventare Teil 5. Band 6. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)
Die Klosterarchive von Walther Latzke
436 Die Klosterarchive. regei, die die Mönche dauernd in den Bereich der Klostermauern band, die jedem einzelnen nicht nur Verkehr und Betätigung in der Welt untersagte, sondern auch die Gemeinsamkeit des Klosterlehens auf den Gottesdienst beschränkte, ließ den jeweiligen Archivar einer Kartause wie keinen anderen Klosterarchivar mit seinem Amte verwachsen und in seiner Zelle wahre Meisterwerke archivarischen Fleißes entstehen. Schon die Betrachtung des Archivs von Aggsbach hat hiefür einen Beleg geliefert, in noch weit ausgedehnterem Maße konnte eine solche Betätigung in einem so reichen Archiv wie dem Gaminger ihr Feld finden. Der geistliche Archivar des 14. Jahrhunderts stellte sich seinen Urkunden gegenüber zwei Aufgaben: ihre sinn- und zweckmäßige Ordnung und ihre Eintragung in ein Kopialbuch. Beide Arbeiten waren vielfach enge miteinander verbunden, da die Kopierung meist schon in einer bestimmten sachlichen Reihenfolge geschah. In Gaming setzt diese archivarische Behandlung der Urkunden schon sehr frühzeitig ein. 1330 wurde die Kartause gegründet; schon 1352 entstand der älteste Teil des ersten Kopialbuches, dessen Anlage bereits auf einer wohldurchdachten Ordnung des Urkundenbestandes beruht. Das älteste Gaminger Kopialbuch ist ein stattlicher Pergamentband mit 249 Blättern im Format 23 x30 cm.1 Das prächtig ausgeführte Titelblatt zeigt ein großes schwarzes Radkreuz und darüber in roter prächtiger gotischer Buchminuskel die Überschrift: „Notandum quod in presenti libro continentur omnia privilegia domus Throni eo ordine distributa ita, quod primo loco ponuntur papalia, quorum materia et series plenius in registro invenietur, secundo vero ducalia, que pius fundator de proprio visco (!) dignatus est largiri larga manu, tercio vero loco ponuntur privilegia diversarum empcionum, tam per ipsum pre- taxatum fundatorem, quam per diversos patres et priores factas, quod quilibet prior tempore sui prioratus conatus est aliquibus empcionibus bona domus augere, et omnia predicta lucidius videbuntur in tabula in fine libri posita.“ Das Kopialbuch gliedert sich in zehn Abschnitte. Innerhalb eines jeden sind die Urkunden meist ohne Rücksicht auf ihre Datierung eingetragen. Zu Anfang jeder Eintragung steht ein kurzes Kopf regest in Rotschrift. Die Einschreibung dieser Miniumzeilen ist zum Teil vom ersten Schreiber (A) des Kopialbuches besorgt worden, zum Teil von einem eigenen Schönschreiber. In beiden Fällen erfolgte sie erst nach Fertigstellung der ersten Redaktion des Kopialbuches; darauf deuten die Anweisungszeilen am seitlichen oder unteren Blattrande, die den Text der Miniumzeilen in winziger Schrift vorgeschrieben zeigen. Der ursprüngliche, jedenfalls 1352 vollendete Bestand des Kopialbuches (die jüngste eingetragene Urkunde ist ein Verkauf von Gütern zu Donnersbach von Braun und Pilgram von Rottenmann an Herzog Albrecht II. vom 24. April 1352) sah folgendermaßen aus: 1. Fol. 1 a—23a1 2 (keine Überschrift): päpstliche Privilegien, 39 Urkunden (1318—1344). 1 StA., Hs. Böhm 55/1. 2 Folienzitate nach der Originalfoliierung!