Inventare Teil 5. Band 6. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)

Die Urkundenabteilung von Paul Kletler

76 Die Urkundenabteilung. Fast alle diese Urkunden tragen nun Rückvermerke, die auf den Inns­brucker „Putsch“ verweisen, sind also — wenn man nicht gerade annehmen will, daß sie vor ihrer Repertorisierung durch Putsch von Wien nach Inns­bruck gebracht wurden — niemals (vor Rosenthal) im Wiener Schatz­gewölbe gewesen. Ja einige tragen überhaupt keinen Vermerk, sind also offenbar in der Zeit nach Putsch direkt nach Innsbruck gelangt. Nichtsdestoweniger ist es vom Standpunkt der Erhaltung der Archiva­lien aus zu begrüßen, daß wenigstens dieser Bruchteil vorländischer Archi­valien nach Wien gebracht wurde. Denn alles übrige ist heute an zahl­reichen Orten zerstreut, ja zum Teil verloren. Das Archiv der vorländischen Regierung inEnsisheim, das „Vorderösterreichische Wesensarchiv“, brachte man im Dreißigjährigen Krieg, in den Jahren 1630 und 1636, aus Sicher­heitsgründen nach der Festung Alt-Breisach. Bei der Eroberung Breisachs durch Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar 1638 kam auch das Archiv in dessen Besitz, und als er schon im nächsten Jahre starb, in die Hände der Franzosen. Durch den Westfälischen Frieden kamen die das Elsaß betreffenden Archivalien und die „documenta communia“, also wohl der größte Teil der Ensisheimer Registratur, endgültig an Frankreich und wurden 1698 bei der französischen Intendanz in Straßburg hinterlegt. Nach der französischen Revolution kam die Hauptmasse dieser Ensisheimer Ar- chivalien — die Urkunden reichen bis 1365 zurück — nach Kolmar, wo sie noch heute liegt, während ein kleiner Teil in Straßburg verblieb. Die zu den an Österreich zurückgestellten Gebieten, das sind Waldstätten, Hauenstein, Schwarzwald, Breisgau und Ortenau, gehörigen Archivalien sollten nach § 90 des Münsterer Friedens wieder an Österreich zurück­gegeben werden (Dumont VI/1, 458). Inwieweit aber diese Rückgabe wirk­lich erfolgt ist, bleibt zweifelhaft; 1651 wurde sie betrieben, aber noch 1761 hören wir von dem Vorhandensein zahlreicher Akten bei der königlichen französischen Intendanz zu Straßburg, „welche die österreichischen Länder diesseits des Rheins angehen sollen“. Im Jahre 1763 erhielt Frankreich noch die das Elsaß und den Sundgau betreffenden Urkunden und Akten aus Innsbruck. Jedenfalls aber befanden sich nach Rosenthals Bericht von 1753 damals trotz allem nicht weniger als 134 Säcke mit vorländischen Archivalien in Innsbruck; darunter waren sicher auch von Frankreich zu­rückgestellte Archivalien, soweit diese nicht vielleicht auch nach Freiburg gekommen waren, wo nach dem Dreißigjährigen Krieg der Sitz der öster- reichisch-vorländischen Regierung war. Über den vorländischen Archivalien waltete jedoch schon ein Unstern. Im Zusammenhang mit der Errichtung einer eigenen „Repräsentation und Kammer“ für Vorderösterreich in Konstanz im Jahre 1752 — die Justiz­stelle und der Lehenhof blieben in Freiburg — wurde auch eine „Separa­tion“ der die Vorlande betreffenden Archivalien in Innsbruck angeordnet und unter Josef II. durchgeführt. Mit der zweiten Sendung im Jahre 1789 kamen nun auch die vorländischen Urkunden nach Freiburg; es waren dies nicht nur die von Frankreich 1648 zurückgestellten Dokumente, son­dern auch der älteste Kern des vorderösterreichischen Archivs, der auf der Feste Baden im Aargau gelegen und schon 1477 und 1478 nach Innsbruck

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