Inventare Teil 5. Band 6. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)
Die Urkundenabteilung von Paul Kletler
Das Wiener Schatzgewölbe. 29 des Archivs der Grafen von Görz sind deshalb heute im Repertorium XXIV (AB. 406) enthalten. Auch die wenigen Görzer Stücke, die sich unter den bereits im Jahre 1835 von der Hofkammer an das StA. abgegebenen 34 Urkunden befanden, sind mit dem von Weibels Hand herrührenden Vermerk „im Hausarchiv 1835“ im Repertorium XXIV (AB. 406) eingetragen; ja hier finden sich mit dem gleichen Vermerk selbst einige der 1752 von Rosenthal gebrachten Görzer Urkunden. Schon im Putsch-Repertorium in mehreren Gruppen verteilt, heute — nach den mannigfachsten Zerreißungen und Hin- und Hersendungen — auch wieder in drei verschiedenen Repertorien (I, II und XXIV = AB. 375, 378/1—3, 406) zu suchen — ganz abgesehen von den noch anderwärts, etwa in Innsbruck, liegenden Stücken—, sind die Görzer Urkunden ein Musterbeispiel dafür, wie aussichtslos es wäre, wollte man versuchen, die einzelnen in den österreichischen Schatzgewölbearchiven aufgegangenen alten Archive wirklich vollständig und rein wiederherzustellen, und andererseits wie eng diese Archive, auch wenn sie wie das Görzer erst am Schlüsse des Miteialters von Östereich auf geerbt wurden, durch eine jahrhundertelange Gemeinsamkeit aller Schicksale zu einem einzigen Archive verschmolzen sind: eben zu dem österreichischen Schatzgewölbe. Das zweite große Adelsarchiv, das der Herren von Walsee, wurde, wie erwähnt, im Jahre 1545 aus Niederwallsee nach Wien gebracht. Das von der kgl. Kommission bei dieser Gelegenheit angelegte Inventar ist im Original erhalten und heute als AB. 358 a aufgestellt. Die Überschrift lautet: „Inventar der von den kgl. Kommissären Christoph von Khüenritz, Erasmus Pämkircher zum Haus und Philipp Gündl der Rechte Doctor im Jahr 1545 aus dem Gewölb zu Niederwallsee in die Niederöst. Kammer gebrachten Urkunden“. Es trägt am Schluß Unterschriften und Siegel der Genannten und ist mit 26. Okt. 1545 datiert. Die in diesem Inventar enthaltenen Urkunden umspannen den Zeitraum von 1271—1500 (die Walseer erloschen 1483 mit Reinprecht V.; dessen Erbtochter Barbara starb 1506); ihre Zahl beträgt 440. Das Sonderbare ist nun, daß wir in der Abteilung Niederwallsee im 2. Putschband nicht nur diese 440 Stück eingetragen finden, sondern im ganzen über 1000 Urkunden, alle zweifellos Walseer Provenienz. Die Aufklärung bringt eine Eintragung der Kommissäre auf der letzten Seite des Inventars, die besagt, daß außer den im Inventar ver- zeichneten Urkunden noch zwei Truhen „unnutzer“ Urkunden nach Wien gebracht worden seien. Es stehe bei seiner Majestät, was damit geschehen soll. Man entschloß sich eben, diese „unnutzen“ Urkunden mit den übrigen 440 zu vereinigen und gleichfalls im Wiener Schatzgewölbe aufzubewahren. Daß auf diese Weise über 500 Urkunden, die vom Standpunkte der modernen wissenschaftlichen Betrachtung aus sicher nicht wertloser sind als die damals von den Kommissären nach praktischen Gesichtspunkten der Aufbewahrung für würdig erachteten Stücke, gerettet wurden — sie wurden im 18. Jahrhundert von Weinkopf in einem eigenen Repertorium (AB. 358) verzeichnet — und so das ganze Walseer Archiv von über 1000 Urkunden unversehrt auf uns gekommen ist, haben wir wohl als Verdienst unserem Putsch anzurechnen.