Inventare Teil 5. Band 6. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)
Die Urkundenabteilung von Paul Kletler
Das Wiener Schatzgewölbe. 15 Schatzgewölbearchivs wieder gutgemacht waren, so wurde dafür, wie wir in der Einleitung hörten, dessen innerer Aufbau, die im wesentlichen provenienzmäßige Gliederung und Reinheit durch die chronologische Reihung, durch Ausscheidung der sogenannten „Privaturkunden“ und Einfügung fremder Urkundenkörper allmählich zerstört (vgl. Bd. I S. 139* ff.). Von um so höherem Werte für die Erkenntnis des Wiener Schatzgewölbearchivs in seiner ursprünglichen Zusammensetzung ist es, daß wir das nicht nur für seine Zeit ausgezeichnete Repertorium von Wilhelm Putsch (AB. 332—336) besitzen und daß dieses durch seine Gliederung zum großen Teil eben doch noch erkennen läßt, welche Archive, Archivsplitter und sonstigen einheitlichen Urkundenbestände1 im Schatzgewölbe Aufnahme gefunden hatten. Freilich hat auch Putsch die alten, nach ihrer Provenienz einheitlichen Bestände zu praktischen Zwecken der Verwaltung oder dynastischer Interessen (Besitztitel) öfter zerrissen. So hat Putsch von dem Archiv der Grafen von Görz, nachdem er bereits in Innsbruck die Tirol betreffenden Stücke ausgeschieden hatte, alle Urkunden, welche auf die Eigenrechte des Hauses, seine Lehensangelegenheiten und insbesondere auf die Bündnisse mit anderen Regierungen, die Versorgung der Töchter, die verwandtschaftlichen Verträge Bezug nahmen,1 2 abgesondert und zusammen mit bezüglichen Urkunden des habsburgischen Archivs in einer eigenen Abteilung „Graven von Görtz“ hinterlegt; sie sind im Band 3 des Repertoriums eingetragen, während das eigentliche Görzer Archiv unter der Bezeichnung „Alt graven von Görtz“ im 2. Bande zu finden ist. Ja selbst noch aus dieser Abteilung waren einzelne Stücke — mit kleinen Kreisen bezeichnet — in Innsbruck herausgenommen und dort zurückgelassen worden. Noch lehrreicher für die Gesichtspunkte der Putschischen Einteilung ist die Behandlung des Urkundenbesitzes der Grafen von Cilli, bzw. Freien von Saneck: die Lehenbriefe auf die Grafen von Cilli wurden zu den „Lehenbriefen auf die Fürsten von Österreich“ eingeteilt (eingetragen im 1. Band), die Lehenbriefe der Fürsten von Österreich selbst aber auf die Grafen von Cilli blieben bei der Abteilung Cilli (eingetragen im 3. Band), weil die österreichischen Lehen des Hauses Cilli mit dessen Aussterben im Jahre 1456 ja ohnehin an Österreich heimgefallen waren; desgleichen wurden auch die Gurker Lehenbriefe nicht abgetrennt, weil der Bischof von Gurk seit dem Konkordat von 1446 völlig unter dem Einfluß des Kaisers stand. Hier sei auch erwähnt, daß Putsch auch eine im ganzen beträchtliche Anzahl von Urkunden ihrer in seinen Augen geringeren Bedeutung und ihres gleichen Inhaltes wegen aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang ausschied und, nach diesem Inhalt zu Abteilungen zusammengefaßt, an anderer Stelle seines Repertoriums bringt. So z. B. die „Parteien“-Urkun- den, vor allem die umfangreiche Abteilung Schuldbriefe, im 4. Band, in der sich zahlreiche Urkunden aus den im 3. Band enthaltenen Adels1 Es sei hier nochmals betont, daß unter den in Bd. I S. 13* gemachten Vorbehalten in der Folge alle archivartigen Gebilde der Einfachheit halber als „Archive“ bezeichnet werden. 2 Vgl. Carl v. Czoernig, Das Land Görz und Gradisca (1873), S. 557 Anm. 2, wo jedoch fälschlich angenommen wird, daß damals nur diese Urkunden nach Wien kamen.