Inventare Teil 5. Band 6. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)
Die Handschriftenabteilung von Fritz Antonius
154 Die Handschriftenabteilung. Chmel war auch der Anreger einer vollständigen Umgestaltung der Handschriftensammlung, die bald darauf, 1850, zwar nach ganz modern und vernünftig anmutenden Gesichtspunkten,1 doch in überstürzter und inkonsequenter Weise ins Werk gesetzt wurde. Es sollten jetzt drei vollkommen getrennte Abteilungen daraus gebildet werden, und zwar:1 2 a) Urkunden (Diplomatarien), die Chmel selbst zu den Urkunden übernahm; b) Akten (Aktensammlungen), von denen Meiller einen Teil ins Familienarchiv,3 die übrigen in verschiedene Aktenpartien einreihte; und endlich c) Bibliotheks-Handschriften (Manuskripte im engeren Sinn), die Wo- cher in die Bibliothek brachte. Für die Diplomatare fertigte später Ottokar Lorenz einen Zettelkatalog an,4 über die Bibliothekshandschriften verfaßte Thomayr ein Verzeichnis,5 die Aktensammlungen blieben bis auf weiteres unbeachtet. Dem alten Handschriftenrepertorium (AB. 446) wurde eine von Wocher verfaßte „Nachweisung“ über die Verteilung der Manuskripte beigegeben, aus der hervorgeht, was zu den Urkunden, ins Familienarchiv, bzw. zu den Akten und was in die Bibliothek kam. Im Jahre 1852 muß diese Dreiteilung, die zu Ende 1850 bereits „in der Vollendung begriffen war“, jedenfalls durchgeführt gewesen sein. In diesem Zustand blieb die Sammlung nun, bis Ottokar Lorenz im Jahre 1860 mit der Bibliothek auch die dahin gelangten Manuskripte übernahm. Er trat sofort für die Wiedervereinigung der ganzen einst bestandenen Sammlung ein, da „diese zusammengehörigen Schätze in der willkürlichsten Weise auseinandergezerrt“ worden seien und die ganze jetzige Einreihung auf einer völlig „vagen und illusorischen Einteilung“ beruhe. Er erbat sich zunächst die Erlaubnis, die in der Filiale B 0 liegenden zahlreichen ungeordneten Manuskripte ins Hauptarchiv zu bringen, um sie hier den „Bibliothekshandschriften“ anzureihen — es handelte sich dabei um jene niederländischen Codices, deren Aufnahme ins Archiv die Direktion im Jahre 1829 abgelehnt hatte. Dann sollten auch die 1852 ausgeschiedenen Bände zwar nicht wieder räumlich mit den Bibliothekshandschriften vereint (weil es dazu an Platz gebrach), aber einheitlich mit diesen katalogisiert werden, so daß die Sammlung wenigstens auf dem Papier wieder vollzählig würde. Die Diplomatare sollten dann im nächsten Jahr wieder den Bibliothekshandschriften angereiht werden, kehrten aber ebenso wie die „Aktensammlungen“ tatsächlich erst bedeutend später wieder in die Handschriftensammlung zurück, zu einer Zeit, als Ottokar Lorenz die Leitung der Bibliothek längst an seinen Nachfolger Constantin Edlen von Böhm abgegeben hatte. 1 Vgl. Striedinger, Archiv- und Bibliotheksgut, Archival. Zeitschrift 36. Bd., S. 151 ff. und Bd. I S. 145* Anm. 2. 2 Vgl. AB. 446, Notiz auf dem Vorsteckblatt. 4 AB. 542 b. 5 AB. 447. 3 Vgl. Bd. 11 S. 5. 6 Vgl. Bd. I S. 131*.