Inventare Teil 5. Band 5. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1937)
Kabinettsarchiv von Fritz von Reinöhl
204 Kabinettsarchiv. Besitze der gewünschten Schrift. Nach Entfernung aller Personen, die etwa hinderlich hätten sein können, waren die Zimmer des Obersten im Geheimen aufgemacht und fünf Kisten eröffnet worden, in deren letzter man zuunterst das Gewünschte gefunden hatte. Hager übermittelte die entnommenen Schriften dem Kaiser und machte sich erbötig, sie, falls der Kaiser sie nicht aufzubewahren gesonnen sei, auf demselben Wege wieder unvermerkt an ihre frühere Stelle zu bringen. Die Schriften bestanden aus einem eigenhändigen Tagebuch Latours, das von September 1792 bis 15. Okt. 1795 reicht (Konvolut A), einer Abschrift eines für diese Zeit völlig mit dem ebengenannten übereinstimmenden vom 8. Aug. 1787 bis zum 17. April 1794 reichenden Tagebuches Latours (Konvolut B), Belegen, d. h. Berichten, Gutachten, Plänen usw. zum Tagebuch 1796—1800 (Konvolut C) und aus zwei mit der Aufschrift „nach meinem Tode zu verbrennen“ versehenen Päcken, deren einer offen war und private sowie militärische Korrespondenzen Latours enthielt, deren anderer versiegelt war. Kaiser Franz ließ die Schriften zunächst im Kabinett verwahren, durch einen Kabinettsangestellten einen Auszug aus den Tagebüchern und dessen Belegen anfertigen und übersandte sodann diesen Auszug samt den zugehörigen Vorträgen Hägers mit Handschreiben vom 20. Dez. 1810 dem Fürsten Metternich zur Erstattung eines Antrags über die weitere Vorgangsweise. Metternich beantragte mit Vortrag vom 24. Jan. 1811, daß er beauftragt werde, selbst die Papiere durchzusehen oder sie durch eine vertraute, politisch geschulte Person durchsehen zu lassen, und gab der Meinung Ausdruck, daß der verschlossene, zur Vernichtung bestimmte Faszikel auch nach dem Tode Latours als dessen Eigentum zu achten wäre. Der Kaiser stimmte dem Vorschlag Metternichs zu und beauftragte ihn, falls nichts Schädliches gefunden werden sollte, die Schriften dem Freiherrn von Hager zurückzustellen, „um sie an Ort und Stelle zu hinterlegen“, d. h. wohl wieder in die Kiste, der sie entnommen seien, zu bringen. In der Tat dürfte dies mit jenem verschlossenen Päckchen und den im Konvolut C gewesenen Privatbriefen, die heute im Nachlaß fehlen, geschehen sein.1 Die übrigen Schriften scheinen nach erfolgter Prüfung nicht zurückgelangt, sondern in der Staatskanzlei geblieben zu sein;1 2 von dort kamen sie in das StA., wo sie zuerst im politischen Archiv des Ministeriums des Äußern, dann in der Großen Korrespondenz eingeteilt waren. Von dort wurden sie später in das Kabinettsarchiv übertragen. Verzeichnis. A: Tagebuch 1792—1795, B: Tagebuch 1787—1794, C: Belege zum Tagebuch 1796—1800, D: Tagebuchbruchstücke 1770, 1796, 1797, 1799, Akten 1790—1800, E: Akten betreffend den Nachlaß Latour 1810, 1811, 1 Fasz. Nachlaß Lazansky. Prokop Graf Lazansky, geb. 1771, gest. Wien 24. Febr. 1823. Lazansky, der 1791 in den Staatsdienst eingetreten war, wurde 1805 zum 1 Die Akten, auf denen diese Darstellung beruht, liegen im Konvolut E des Nachlasses. 2 Siehe Vermerk auf Umschlag des Konvolut D.