Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)
Sonstige Sammlungen von Archivalien verschiedener Herkunft von Lothar Gross
überragt durch die Korrespondenzen des Bischofs Bernhard Cles von Trient, Hofkanzlers Ferdinands L, die sogenannten Cl e si an a aus dem Trienter Archiv. Sie kamen aus dem Innsbrucker Statthaltereiarchiv, wohin sie nach der Säcularisation des Fürstbistums Trient gelangt waren, nach längeren Verhandlungen 1860 nach Wien.1 1862 folgte noch ein Nachtrag. Dieser wertvolle Bestand, der alsbald durch Weyda bearbeitet wurde, ist zunächst als eine gesonderte Abteilung aufgestellt worden, einiges wurde auch in die Urkundenabteilung eingeteilt. Später, nach der Neuordnung der Großen Korrespondenz, bildete er die ersten 15 Faszikel dieser Abteilung. Es handelt sich bei den Clesianischen Korrespondenzen nicht um Privatkorrespondenzen des Kardinals, auch nur in wenigen Fällen um Briefschaften, die er als Bischof von Trient empfangen oder geschrieben hat, sondern in der großen Masse ist es seine Amtskorrespondenz als Hofkanzler und Präsident des Geheimen Rates Ferdinands I. Daß diese Korrespondenzen im Archiv von Trient lagen, ist also für ihre Provenienz bei sinngemäßer Auffassung dieses Begriffes nicht maßgebend. Nichtsdestoweniger wurden sie nach dem Weltkriege von Italien unter Hinweis auf ihre seinerzeitige Aufbewahrung in Trient angefordert und mußten 1919 und 1921 ausgeliefert werden. Die Auslieferung erfolgte unter dem Zwange der Verhältnisse und war nicht einmal durch das Archivabkommen vom 26. Mai 1919 (gedruckt in: Bericht über die Tätigkeit der deutschösterreichischen Friedensdelegation, Wien 1919, II, 218) gerechtfertigt, welches seinerseits Österreich schon weitergehende Verpflichtungen auferlegte als der später abgeschlossene Friedensvertrag.2 Denn das Archivabkommen von 1919 sah nur die Abgabe italienischer Archivprovenienzen vor, zu denen die Korrespondenzen des kaiserlichen Hofkanzlers und Präsidenten des Geheimen Rates gewiß nicht zu rechnen sind. Sie befinden sich heute im kgl. italienischen Staatsarchiv in Trient. Bei der 1889 durch Winter vorgenommenen Auflösung der Abteilung „Regentenakten“ erhielt die Abteilung verschiedene Korrespondenzen Maximilians II. aus den Jahren 1558—1571, die ihrer Provenienz nach aus der Kanzlei dieses Kaisers sind (AB. 39/2). Alle diese im Laufe der Jahrzehnte angewachsenen Korrespondenzen sind nun zwar heute in der Abteilung der Großen Korrespondenz vereinigt, soweit sie nicht in den letzten Jahren dem Archiv verlorengingen, diese Vereinigung erfolgte aber erst in einem relativ späten Zeitpunkt. Die Reg. des StA. und die älteren Behelfe gestatten nicht, sich ein vollkommen klares Bild über den Werdegang der Abteilung zu machen. Wie bereits erwähnt, gab es eine als „Korrespondenz“ schlechtweg bezeichnete Abteilung. Nach einem von Rosner verfaßten Zettelkatalog (AB. 258) zu Schließen, scheint diese neben heute in der Großen Korrespondenz enthaltenem Material auch manches umfaßt zu haben, das heute in anderen Abteilungen, wie in der Diplomatischen Korrespondenz der Reichskanzlei, den Nationalia, den Abteilungen Frankreich, England usw., eingeteilt ist. Neben dieser Korrespondenzabteilung bestan1 Vgl. auch Michael Mayr in Mitteilungen der III. (Archiv-) Sektion II/l, S. 174. 2 Vgl. L. Bittner, Die zwischenstaatlichen Verhandlungen a. a. 0. S. 72 ff. Oben Einleitung (Erster Abschnitt, § 1). 590 Sonstige Sammlungen von Archivalien verschiedener Herkunft.