Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)

Reichsarchive von Lothar Gross

276 Reichsarchive. waltet werden sollten. Die Note vom 1. Sept. 1806 ist auch deshalb für uns interessant, weil sie eine wenigstens beiläufige Übersicht über die da­mals vorhandenen Registraturen der Reichshofkanzlei und deren Inhalt gibt. Wenn ihre Angaben hinsichtlich des Inhaltes der Bestände auch sehr summarisch sind, so sind sie doch von Wert, da ein Verzeichnis des Reichs­kanzleiarchivs aus dieser Zeit, besonders des politischen Teiles, nicht be­steht.1 Sie unterscheidet folgende Archivkörper: 1. Das Archiv, worunter nur die Sammlung der Staatsurkunden verstanden wurde. Sie enthielt die Reichs- und Deputationsabschiede, kaiserliche Wahlinstrumente, Voll­machten zu den Reichsfriedensschlüssen, die Reichsfriedensschlüsse, Staatsverträge zwischen dem Kaiser und einzelnen Reichsgliedern und fremden Staaten usw. Diese Urkunden waren in sieben tragbaren, in Schubladen abgeteilten Kasten aufbewahrt und in einem alphabetischen Register verzeichnet, das allem Anscheine nach der heutige AB. 128 ist. 2. Die Registratura actorum publicorum, die in eine deutsche und lateinische Expedition zerfällt und als deren Inhalt angegeben wird: die Kreditive und Instruktionen für die kaiserlichen Gesandten aller Art, die an sie ergangenen reichsoberhauptlichen Weisungen, die Reichsministe- rialkorrespondenz mit der kaiserlichen Prinzipalkommission am Reichs­tage, die Reichstags-, die Reichsdeputations-, die reichskammergericht­lichen Visitationsakten, die Kreisassoziationsakten und Akten der einzel­nen Reichskreise, die Reichsfriedensunterhandlungen, die Akten über die Wahlen der geistlichen Kur- und Reichsfürsten, die Akten über die An­gelegenheiten der katholischen Kirche in Deutschland und Kollisionen mit dem päpstlichen Stuhle, die Originalkonzepte und Originalvorträge des Reichshofvizekanzlers an den Kaiser, die vertraulichen Kommunikationen mit der Hof- und Staatskanzlei und anderen Hofstellen, schließlich die Wahlakten der römischen Könige und Kaiser. 3. Die Lehens- und Gra- tialregistratur, ebenfalls in eine lateinische und deutsche Expedition geteilt, die auch die Privilegienbestätigungen und die Standeserhöhungen enthalten, wie auch die Reichsregisterbücher „bis auf Karl V. und Fried­rich III.“ als zu ihr gehörig genannt werden. 4. Die Judizialregistra- t u r, das sind die Prozeßakten des Reichshofrates mit den Reichshofrats­protokollen, ebenfalls in deutscher und lateinischer Expedition. 5. Die Registratur der Reichskanzlei-Justizkommission mit den Sperr- und Verlassenschaftsakten, Vormundschafts- und Kuratel­sachen der zur Kanzlei gehörigen Personen. 6. Die Registratur der auf die Personalien und innereVerfassung der Reichshofkanzlei und des Reichshofrates bezüglichen Akten. 7. Die Registratur des Reichshofkanzleitaxamtes. Für die drei letztgenannten wurde gemeinsame Aufbewahrung mit der Judizialregistratur vorgeschla­gen. Auf Grund der Vorträge Stadions vom 8. und 9. Sept. 1806 ge­nehmigte der Kaiser sowohl die von Öttingen vorgeschlagene Kommission, die dann mit kais. Patent vom 4. Febr. 1807 als „zu den reichshofräth­1 Vgl. über die Geschichte der Reichskanzlei und ihres Archivs: L. Groß, Die Ge­schichte der deutschen Reichshofkanzlei 1559—1806 (= Bd. 1 der Inventare des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs), Wien 1933.

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