Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)
Einleitung
Erster Abschnitt. § 1. 47* das StA., sondern alle anderen in Betracht kommenden Archive und Bibliotheken in die Aktion einzubeziehen und auch bei diesen durch möglichst abschließende Untersuchungen alle Provenienzen des Bundes und der Länder zu erfassen. Erst wenn dies geschehen ist, wird es möglich sein, einen gerechten Ausgleich herzustellen, der auch dem StA. jene Bestände vermittelt, auf die es Anspruch erheben kann. Das StA. hat, im schwersten Abwehrkampf gegen die Forderungen der Nationalstaaten stehend, im Jahre 1922 das allerdings nicht sehr glückliche Zugeständnis langfristiger Entlehnungen gemacht,1 was in einem dieser Fälle zur Folge hatte, daß eine Menge Akten entlehnt wurden, die sich gar nicht auf das betreffende Land bezogen. Seither hat es Einzelauslieferungen vor Einleitung einer allgemeinen Austauschaktion abgelehnt. Die Zeit nach 1922 war für eine derartige allgemeine und planmäßige Austauschaktion nach dem Herkunftgrundsatz nicht günstig. Schon die durch die Genfer Protokolle vom Oktober 19221 2 eingeleiteten Sparmaßnahmen wirkten hemmend, desgleichen die Finanznot, der Personalmangel und die Raumnot der Archive in den Ländern. So ist denn das StA., von einigen kleineren, auf Gegenseitigkeit beruhenden Austauschaktionen abgesehen,3 im Besitz der in den Ländern erwachsenen Archive und Archivteile geblieben, die seinerzeit durch sein Eingreifen vor dem Verderben gerettet wurden4 und durch oft mehr als 100jährige gemeinsame Verwahrung und gemeinsame wissenschaftliche Verwertung mit den Schatzgewölbearchiven, den österreichischen Akten der Reichskanzlei und anderen Beständen gleicher Entstehungszeit und verwandten Inhalts auch vielfach zu einer Art Einheit zusammengewachsen sind. Diese Archivalien befinden sich in dem neuen Gebäude des StA. in vergleichsweise sicherster Verwahrung. Für ihre Verwertung stehen die großen Wiener Bibliotheken und sonstigen Studienbehelfe zur Verfügung. Die Archivalien werden außerdem zur Benützung an die wissenschaftlichen Anstalten der Länder jederzeit entlehnt. Die vom Archivreferat des Bundeskanzleramtes5 eingeleitete Katalogisierung aller österreichischen staatlichen Archive erleichtert den Überblick über die Verteilung der Bestände. Wie oft im internen Archivbetrieb wird es sich auch hier empfehlen, sich mit der theoretischen Feststellung der Zusammenhänge zu begnügen und umfangreiche Archivalienbewegungen zu unterlassen, die oft nicht zu Ende geführt werden können, so daß das Endergebnis eine nur noch größere Verwirrung wäre. Galt es hinsichtlich der in den Ländern erwachsenen Archive und Archivteile nur zu erhalten, so fiel dem StA. mit dem Zusammenbruche der 1 Vgl. V. Thiel, Das steiermärkische Landesregierungsarchiv, in: Archival. Zeit- schr. 3. F., IV. Bd., S. 211. 2 Oben S. 41*. 3 Vgl. J. Zibermayr im Jahrbuch des oberösterr. Musealvereines 83. Bd., Linz 1930, S. 50, 51. 4 Vgl. u. a. die Ausführungen von Groß über die österr. Akten - Innerösterr. Gruppe und Kärnten, und von Latzke über die Archive der aufgehobenen Klöster, alle im 3. Bd. dieses Gesamtinventars. J. Zibermayr a. a. 0. 51. 5 Siehe unten 4. Abschnitt § 2 und L. Groß, Archivschutz in Österreich S. 181.