Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)
Einleitung
Erster Abschnitt. § 1. 29* eine größere Centralisierung der zu demselben nach unläugbaren Verwaltungsprinzipien gehörenden, nunmehr an vielen Punkten der Monarchie zerstreuten Dokumente ein Bedürfnis wäre, ist allgemein und auch von Euer Exzellenz (Bach) selbst anerkannt. Allein es liegt für heute diese, vielseitige Vorarbeiten erheischende und complicierte Frage zur Erörterung nicht vo r.“ Während alle Direktoren seit Hormayr den für die Idee des Zentralinstituts typischen Anspruch auf die Einziehung aller Urkunden aufgehobener Klöster, die ja zum Eigentum des Staates gehörten, zäh vertreten hatten, lehnte Erb 1861 die Übernahme der ihm vom Finanzministerium angebotenen Urkunden des Klosters Mehrerau ab und stimmte 1864 der Abgabe der Urkunden kärntnischer Klöster an den kärntnischen Geschichtsverein zu.1 Der Krieg von 1866, der wieder zur Flüchtung der Archivbestände nach Ungarn zwang,1 2 brachte dem StA. auf Grund des Art. XVIII des Friedensvertrages mit Italien vom 3. Oktober 1866 3 und des Vertrages vom 14. Juli 18684 den Verlust des venetianischen Archivs und anderer Archivalien der abgetretenen Provinzen.5 Er wirkte sich auch mittelbar ungünstig für das StA. aus. Denn in seinem Gefolge mußte 1867 der Ausgleich mit Ungarn geschlossen werden, der jede weitere Ausgestaltung des StA. zu einem österr. Zentralarchiv unterband. Die Ausgleichsgesetze6 hatten eine vollkommene Trennung der Verwaltung der „im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder“ (erst 1915 unter dem Titel „Österreich“ zusammengefaßt) von der der Länder der ungarischen Krone ausgesprochen. Nur für die auswärtigen Angelegenheiten, für das Kriegswesen und für die aus diesen beiden sich ergebenden finanziellen Fragen wurde eine gemeinsame Verwaltung vorgesehen, die durch die „gemeinsamen“ Ministerien des Äußern, des Krieges und der Finanzen ausgeübt wurde. Da das dem StA. Vorgesetzte Min.d.Äuß. nunmehr eine k. u. k. gemeinsame österreichischungarische Behörde war, so wurde auch die Verwaltung des ihm unterstehenden StA. eine „gemeinsame“. Wohlgemerkt aber nur die Verwaltung. Das Eigentumsrecht der „im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder“ an ihren Archivalien wurde dadurch nicht berührt. Ein gemeinsames österreichisch-ungarisches Eigentum erwuchs nur an den aus dem Geschäftsgang gemeinsamer österreichisch-ungarischer Behörden entstandenen Archivalien, also z. B. an den Registraturen des k. u. k. gemeinsamen 1 Nur in einem einzigen Fall (Urkunden der dem Hochstift Brixen gehörigen Herrschaft Veldes in Krain) vertrat Erb in den Jahren 1862—1867 die Ansprüche des StA. 2 Vgl. unten S. 31, 67, 255 (AB. 469 a), S. 406 und 559. 0. Doublier, Die Wiener Hofbibliothek in Kriegsgefahr S. 61 ff. 3 Neumann-Plason, Kecueil des traités d’Autriche N. S. IV, 575. * Martens, Nouveau Recueil général des traités XVIII, 429. 6 Vgl. unten S. 7, 253 (AB. 458—464), S. 271 (AB. 544, 545) und S. 559 und die Ausführungen von Antonius und Kletler im 3. Band. 6 Die Ausgleichsgesetze und die Verträge zwischen den beiden Reichshälften (1867—1918) sind verzeichnet bei L. Bittner, Die Beurkundung der Verträge zwischen Österreich und Ungarn seit 1867 in M. ö. I. G. Erg.-Bd. XI (Festschrift zu Ehren Oswald Redlichs), Innsbruck 1929, S. 800—806.