Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)

Einleitung

Erster Abschnitt. § 1. 23* alle in das Eigentum des Staates übergegangenen Urkunden der aufgehobe­nen Klöster in den Ländern zu sammeln und dem StA. einzuliefem. Dieser Standpunkt wurde auch gegenüber der Hofbibliothek vertreten, die 1811 ihre Klosterurkunden an das StA. abgeben mußte. Das Kosenthalsche Pro­gramm (oben S. 17*), das nur eine Auswahl nach bestimmten Gesichtspunk­ten vorsah, war zugunsten einer Zusammenfassung aller im Eigentum des Staates befindlichen Urkunden im StA. aufgegeben worden. Mit den von ihm durchgesetzten Errungenschaften, der planmäßigen Übernahme großer Aktenarchive1 und mit der Erklärung des StA. zu einer Zentralanstalt zur Verwahrung des gesamten staatlichen Urkundenbesitzes, hat Hormayr den Grund für die Entwicklung des StA. zu einem Weltarchiv gelegt. Seine Nachfolger schritten zunächst unbeirrt trotz aller äußeren Hem­mungen — im Kriege von 1813 mußten die Archivalien wieder zur Flüch- tung vorbereitet werden, die Rückkehr der nach Paris verbrachten Archi­valien in den Jahren bis 1819 verursachte große Arbeit1 2 — auf dieser Bahn weiter. Insbesondere Knechtl,3 der seit 1813 zunächst als erster Archivar, von 1827-—1838 als Direktor die faktische Leitung der Anstalt ausübte, hielt an der Idee des Zentralinstituts4 und an der Übernahme von geschlossenen Aktenarchiven fest, erhob von diesem Gesichtspunkt aus 1814 Einspruch gegen die Rückgabe der Urkunden an das 1784 aufgehobene, 1814 neu errichtete Kloster St. Paul in Kärnten, 1823 gegen die Überlas­sung von Urkunden aufgehobener Klöster an das Joanneum in Graz, 1825 gegen die Rückgabe der venetianischen Urkunden und 1829 gegen die Rückgabe der böhmischen Klosterurkunden. In einer Eingabe von 1823 wendet er sich ganz ausdrücklich gegen die Bestrebungen der damals auf­blühenden Landesmuseen,5 die zu ihrem Bereich gehörigen Urkundenschätze zu sammeln. „Alle streben also dahin, wieder zu vereinzeln, wogegen man schon seit den ersten Jahren der glorreichen Regierung der unsterb­lichen Kayserin Maria Theresia noch in der ersten Hälfte des 18ten Jahr­hunderts das System der Centralisierung für nothwendig und zweck­mäßig hielt, und worauf seitdem auch alle Regierungsnachfolger und Staats­ministerien festgehalten haben.“ Tatsächlich erfuhr das StA. unter ihm, ab­gesehen von der Rückgewinnung der 1809 geraubten Bestände, eine Er­1 Dieser Ausdruck ist selbstverständlich ungenau und wurde nur gewählt, um den Unterschied von Archivaliensammlungen, die ausschließlich oder vorwiegend aus Urkunden bestehen, hervortreten zu lassen. Natürlich enthalten die als Akten­archive bezeichneten Archivkörper auch Urkunden. 2 Vgl. auch 0. Doublier, Die Wiener Hofbibliothek in Kriegsgefahr a. a. 0. 51—56 und unten 277—280. 3 Vgl. unten S. 70. 4 In einer Note an die Hofkammer vom 28. April 1813 fordert die Staatskanzlei die Übertragung aller im Hofkammerarchiv befindlichen Staatsurkunden an das StA., denn dieses sei „sowohl seiner ursprünglichen Verfassung nach als wiederhohlten neuerlichen allerhöchsten Anordnungen zu Folge der einzige und allge­meine Aufbewahrungsort sowohl für sämtliche Haußakten als für alle übrigen das höhere innere oder äußere Staats-Interesse betreffenden Urkunden und Verträge.“ 5 Vgl. über die Entwicklung der Landesmuseen jetzt die vortreffliche Zusam­menfassung bei I. Zibermayr, Die Gründung des oberösterreichischen Musealvereins, im Jahrbuch des oberösterr. Musealvereins, 85. Bd., Linz 1933, S. 117 ff.

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