Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)

Einleitung

Fünfter Abschnitt. § 5d. 179* leisten, was ein Uneingeweihter — ihrer Zahl halber — von ihnen ver­langen könnte“. Wegen dieser Geheimhaltung wurden die Überprüfungs­arbeiten meist in der größten Hast durchgeführt, um den Forscher nur ja nichts merken zu lassen. In manchen Fällen gelangten die Forscher durch Versehen doch in Kenntnis der Zensur.1 Im gleichen Verhältnis mit dem Aufschwung der Forschung und der Übernahme jüngerer Bestände stieg auch die Menge der Archivbestände, die zur Überprüfung kamen, insbesondere seit man immer mehr davon abging, dem Forscher die für sein Thema in Betracht kommenden Schrift­stücke einzeln herauszusuchen, und, um die Forschung zu fördern, ganze geschlossene Faszikel vorlegte, ein Verfahren, das noch 1862 ausdrücklich verboten wurde, sich aber unter Arneth immer mehr einbürgerte. Die ständig erhobene Forderung, daß der Forscher den Gegenstand seiner Forschung genau bezeichnen müsse, wirkte hier wenig einschränkend, da insbesondere bei den diplomatischen Akten, die in ein und demselben Stück oft die verschiedensten Gegenstände behandelten, auch die Ver­folgung bestimmter Themen die Durchnahme geschlossener Serien verlangt. Gewiß war es für den Forscher von unschätzbarem Wert, wenn er solche geschlossene Serien von Berichten und Weisungen auf sich wirken lassen konnte. Die Arbeit des Zensors aber wurde dadurch vervielfacht und noch mehr überhastet, weil der Forscher, wenn er nichts Wesentliches fand, zur Durchnahme der Faszikel nicht mehr Zeit brauchte als der Zensor. In früheren Zeiten, noch unter Reinhart, hatte man daran gedacht, gewisser­maßen auf Vorrat zu prüfen, alle Bestände systematisch durchzunehmen und die bedenklichen Stellen auszuscheiden. Das mußte bald aufgegeben werden, weil alle Kräfte herangezogen werden mußten, um nur den laufen­den Bedarf der Forschung zu befriedigen. Bei ausgedehnteren Forschungen kamen oft mehrere hundert Faszikel in wenigen Wochen zur Überprüfung, die auf sämtliche Beamten aufgeteilt werden mußten. Schwab ist einmal die Nacht über im Amt geblieben, um die ihm zur Prüfung zugewiesenen Faszikel rechtzeitig zu erledigen. Trotz allem kam es zu Stockungen und zu Beschwerden der Forscher, die es sich nicht erklären konnten, warum die Archivverwaltung zur Bereitstellung einiger Faszikel, die ja das Werk einiger Minuten war, mehrere Tage brauchte. Darunter litt auch die Qualität der Prüfung. Die meisten Beamten nahmen ihre Aufgabe sehr ernst, um sowohl den Forderungen der Staats- raison als auch denen der Forschung gerecht zu werden. Viele trieben aus­gebreitete Literaturstudien, um festzustellen, was schon bekannt sei, was nicht. Natürlich gab es strenge und weniger strenge Zensoren. Das Abteilungssystem (oben S. 146*) wirkte auch hier einer gleichmäßigen Be­handlung entgegen. Oft kam es vor, daß ein Benützer in der einen Ab­teilung Akten über ein bestimmtes Ereignis erhielt, während ihm in einer anderen Abteilung Akten über dasselbe Ereignis vorenthalten wurden. Doch bewährte sich das Abteilungssystem bei der Zensur immerhin noch 1 So erhielt der französische Historiker E. Dard 1910 ein Aktenheft mit der Aufschrift: „Nicht mitteilbar“ vorgelegt. Revue des deux mondes 1934, S. 184. 1*

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