J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 3. Metternichs geheimer Briefdienst. Postlogen und Postkurse (1935)
I. Die Postlogen - 10. Kundschafter
leitete geheime Korrespondenz mit dem Fürsten der Walachei, die Gentzens Vermögensverhältnissen ebenso zuträglich war wie Metternichs politischen Zwecken. Jahrelang rangen Gentz und der Staats- und Konferenzrat Hudelist um diese Korrespondenz. Suchte sie jener, mißtrauisch und erfinderisch, durch die Gewinnung des Türhüters Stix der Aufsicht der Staatskanzlei zu entziehen, so wußte sie ihr dieser auf demselben Wege wieder zuzuführen29). Selbst Metternich geriet darüber in nicht geringe Verlegenheit. Er mußte, als ihm Gentz im August 1818 in Königswarth eine eben eingelaufene chiffrierte Depesche des Fürsten der Walachei überbrachte, so lange den Neugierigen spielen, bis der dazugehörige Ziffernschlüssel aus Wien beschafft war: er konnte und wollte ihm nämlich nicht gestehen, daß er den Inhalt des Schreibens längst aus dem ihm vorgelegten Interzepte kannte30). Auch Kaiser Franz hat Gentzens Korrespondenz auf demselben Wege mit Interesse verfolgt. Bei Jarcke und Pilat scheint der ultrakatholische Charakter ihrer Korrespondenzverbindungen mit Pater Beckx, dem Beichtvater der Herzoginwitwe Julie von Anhalt-Cöthen, einer Konvertitin, und anderen Jesuiten Metternichs Aufmerksamkeit erregt zu haben 31). Bei Hofrat Hammer, „dem ersten Orientalisten Österreichs“, wie er sich selbstgefällig nannte, waren wohl der große, durch eine verzögerte Ordensverleihung ausgelöste Konflikt mit Metternich32) und seine Verbindung mit Cotta in Stuttgart, bei Prokesch seine Beziehungen zur Augsburger Allgemeinen Zeitung die Ursache ihrer Überwachung33). Einen Sdtritt weiter als mit der Interzipierung ging man mit der Saisie- rung bestimmter Korrespondenzstücke. Briefe, die „mit bloßen Neuigkeits- krämereien gefüllt“ waren und eine regierungsfeindliche Tendenz verrieten, ließ Kaiser Franz kurzerhand beseitigen34). Ähnlich war es — allerdings aus ganz anderen Gründen — schon hundert Jahre früher mit den Briefen sieben- bürgischer Transmigranten gehalten worden. Auch im Reiche, in Bayern und Frankreich war dieses Verfahren keineswegs unbekannt. Ungeschickte Logisten unterwarfen ihm ihre schlecht „operierten“ Briefschaften. Unbewertete Briefe gingen, wenn sie unerlaubterweise Papiergeld enthielten, nicht selten auf der Post verloren. Da heimliche Geldsendungen solcher Art mit der Konfiskation und überdies mit einer hohen Geldstrafe belegt waren, mag die Versuchung, sie zu veruntreuen, besonders groß gewesen sein: man konfiszierte auf eigene Faust und erließ dafür dem Absender die Geldstrafe. In anderen Fällen begnügte man sich mit dem Postporto. io. Kundschafter. Wo die Interzepte nicht ausreichten oder besondere Interessen obwalteten, traten den Logisten Kundschafter zur Seite. Für 7000 Rubel jährlich versah der livländische Freiherr von Rosenkampf in St. Petersburg die österreichische 29) Hudelist an Mett. 14 III 22 Interiora 77; A. Fournier, Gentz u. d. geh. Kab. 227 ff. (mit einer interessanten Note Gentzens über das Maß der Sicherheit des schriftl. Verkehrs); M. W e i 1 1. c. nn. 4, 637 u. a.; Metternichs nachgelassene Papiere 5, in; J. K. Mayr, Gesch. d. Staatskanzlei 133 f. 30) Mett, an Hudelist 18 VIII 2 Vorträge 313. 31) Interzepte 38 VIII 22, X 23 Rom 85; Metternichs nachgelassene Papiere 6, 17 („die schreckliche Heilige“); D. Rosenthal, Konvertitenbilder 1, 339 f.; J. K. Mayr 1. c. 107. 32) H. v. Srbik, Metternich 2, 227ff. u. ö.; J. K. Mayr 1. c. 37. 33) Interzepte 39 II 12, 28, 40 II 10 Interzepte 40, 51; J. K. Mayr 1. c. 39. 34j Vortrag 12 VIII 8 Vorträge 282; A. Fournier, Gentz u. d. geh. Kab. 225. 26