J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 3. Metternichs geheimer Briefdienst. Postlogen und Postkurse (1935)
I. Die Postlogen - 1. Organisation
nen und „Hiesigen“ geordnet, in einem besonderen Schranke. Österreich verfügte — so vermutete Graf Sambuy — über Doppelstücke aller sardinischen Siegelstempel13). Damit konnte, wie Berger, der Chef der Mailänder Postloge, bezüglich der von ihm persönlich behandelten Mazzinikorrespondenz versicherte, ein solcher Grad der Vollkommenheit erreicht werden, daß die Briefe die Postloge meist besser als ursprünglich gesiegelt wieder verließen und selbst von dem geübtesten Auge keine Spur einer Verletzung des Siegels wahrgenommen wurde14). Bellio bediente sich eines nachgestochenen Stempels von Gentz’ Siegel, wenn er dessen an den Hospodar der Walachei adressierte Berichte eröffnete und kopierte15). Auch in Frankreich wurden solche Metallsiegelstempel auf Vorrat gestochen, in Hannover mußten die Graveure von jedem im Aufträge Privater angefertigten Siegelstempel ein Pflichtexemplar abliefern16). In Kursachsen verfügte der Geheime Dienst unter August dem Starken über einen so geschickten Kalligraphen, daß man mehrfach versiegelte Briefumschläge unbesorgt aufbrechen konnte: er beschrieb den neuen, auf Logenart wieder verschlossenen Umschlag so schriftähnlich, daß es niemand merkte. Selbst das Briefdatum wurde im Bedarfsfall — um eine Verspätung zu verschleiern — abgeändert17). So weit ist man, wie es scheint, in Österreich nicht gegangen. An den Verwechslungen aber, die im Drange der Geschäfte allenthalben passierten und die meist ebenso peinlich wie komisch gewesen sind, hatten auch die österreichischen Postlogen Anteil. Einem Mißgriff ähnlicher Art ist 1834 der Kanzler der französischen Botschaft, der in geheimen österreichischen Diensten stand, zum Opfer gefallen. Der Botschafter hatte Metternich eine französische Originaldepesche als Kom- munikat zur Kenntnis gebracht. An ihrer Stelle aber wurde ihm eine von dem Botschaftskanzler gelieferte Abschrift einer geheimen diplomatischen Depesche zurückgegeben, wodurch dieser entlarvt wurde18). Jedes Logeninstrumentar befand sich — gleich dem der „Siegel- und Schrift-Cabinette“, die der vorerwähnte Exlogist in Leipzig und Jena verkaufen ließ — wohlverwahrt in einer Kassette, die die Geheime Ziffernkanzlei lieferte und ergänzte. Muster solcher Instrumentenkästchen haben sich ebensowenig erhalten wie die zahlreich nachgestochenen Siegelstempel. Besser steht es mit den Spuren der geheimen Brieferöffnung, die auf einigen im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv erhalten gebliebenen, geöffneten, jedoch nicht wieder verschlossenen Briefumschlägen — die Briefe wurden nicht weitergeleitet — gut zu beobachten sind. Eine neue Erfindung, Siegelabdrücke aller Art nachzubilden, ist 1827 von einem Außenseiter gemacht worden. Da es sich aber dabei um neue Siegelabdrücke (Duplikate) handelte, konnte sie für die geheime Briefmanipulation nicht in Betracht gezogen werden. Ob sich die Postlogen gleich dem Expedite der Staatskanzlei zur Unschädlichmachung der Quecksilberoxyddämpfe des Siegellacks, vielleicht auch der Paste, eines dunstabsorbierenden Luftreinigungsmittels19) bedient haben, ist nicht bekannt. 13) M. A 1 b e r t i, Politica estera del Piemonte 1, 396 f. 14) Notiz Bergers auf Interzept 35 VIII 22 Interzepte 24. 15) A. F o u r n i e r, Gentz und Bellio 325. 16) E. K ö n i g 1. c. 19 ff., 43; A. B e 11 o c, Postes franchises 408 f. 17) B. C r o 1 e (Pseudonym für E. König), Gesch. d. deutschen Post (r. A.) 430. 18) E. Castle 1. c. 496 f.; Bericht Cobellis 52 X 5; vgl. S. 22 Anm. j. 19) Gutachten Niebauers 32 IV 23, 30 Interiora 2. 6