J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 2. Geschichte der österreichischen Staatskanzlei im Zeitalter des Fürsten Metternich (1935)

III. Die Organisation der Staatskanzlei - 1. Die auswärtige Abteilung

Bruder war Bischof von Münster, später Erzbischof von Köln — und hatte noch unter dem letzten Salzburger Erzbischof und unter dessen Nach­folger, dem Kurfürsten Ferdinand von Toskana, als oberster Justizrat und publizistischer Referendar gedient und sich den juridisch-politischen und legislativen Angelegenheiten des Landes gewidmet5S). Nach dem Preß- burger Frieden wurde Baron Spiegel in österreichische Dienste übernommen und bei der Hofkanzlei als Regierungsrat und Referent für das neu­gewonnene Herzogtum Salzburg angestellt. Der Verlust des Landes führte seine Übersetzung zum niederösterreichischen Appellationsgericht herbei, bei dem er als überzähliger Appellationsrat tätig war. Schon damals hat Baron Spiegel als gründlicher Kenner des deutschen Reichsrechtes Rader- machers Aufmerksamkeit erregt. Im Befreiungskriege begleitete er als Verwaltungschef der wiedereroberten Provinzen den Freiherrn vom Stein. Während des Wiener Kongresses saß Baron Spiegel mit Radermacher im deutschen Komitee und entwarf darin die Grundzüge der deutschen Bundesverfassung. So würdevoll erschien ihm „dieses erste Reich der Welt“, dessen Nation den Stamm der Bildung aller nichtslavischen Reiche Europas ausmachte, daß er dem neuen politischen Gebilde den klangvollen Namen eines „deutschen Reichsbundes“ geben wollte89). 1815/16 war Baron Spiegel als Vermittlungskommissär beim preußisch-sächsischen Ausgleich in Dresden tätig, wobei er so sehr die Aufmerksamkeit des Preußenkönigs erregte, daß ihn dieser in den preußischen Grafenstand erhob. Diese Aus­zeichnung, welche Metternich den dauernden Verlust des trefflichen Mannes befürchten ließ, hat Baron Spiegels Aufnahme in die Staatskanzlei und seine Ernennung zum Hofrat bewirkt 0O). Er wurde Chef des deut­schen Büros, das mit der Schweiz, mit Baden, Württemberg und Bayern, mit Hessen, Nassau, Sachsen, Hannover, Preußen, Mecklenburg und mit den Hansestädten korrespondierte01). Selbst führte Baron Spiegel die Bürovormerkung und hatte ebensoviel Verständnis für die Bedeutung des großen deutschen Quellenwerkes der Monumenta Germaniae wie für die Mittel und Wege des geheimen Frankfurter Postlogendienstes. 1819 begab er sich mit auf den Karlsbader Kongreß 62), schied aber schon nach zwei Jahren als österreichischer Vertreter am Hofe zu Hannover — später zu München — aus dem Verbände des deutschen Büros, dem er sich aller­dings in der Zwischenzeit neuerdings zur Verfügung stellte. Baron Spiegels Abgang hatte die Neuanstellung zweier weiterer Hofräte zur Folge. Der eine, Friedrich Freiherr Kreß von Kressen­stein es), entstammte einer Nürnberger Patrizierfamilie. Erst stand er 68 68) 10 XII 10 Eingabe Personalia 18. 60) 14 IX 19 Bemerkungen Spiegels Deutsche Akten 100 (neu). ®°) 16 V 19 Vorträge 298. 61) 16 VIII 27 Organisierung Interiora 2. es) H. Bresslau, Gesdi. d. Monumenta Germ. 100; 16 XII 23 Anweisungen Spiegels Provinzen, Böhmen 8. — Nach Gentz hätte sich Spiegel in Karlsbad und Frank­furt über alle Maßen prostituiert; er wäre weniger böse als schädlich und von grenzen­loser Dummheit gewesen (K. Mendelssohn-Barthold i, Briefe Gentzens an Pilat i, 321 f.). Ähnlich urteilte Gentz auch gegenüber Nesselrode (Lettres et papiers de Nessel­rode 5, 263). Vgl. auch H. v. S r b i k 1. c. 2. 77s. 6S) K. Frank-Döfering, Kress Family History 566 (Text und Bilder). 2* 19

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