J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 2. Geschichte der österreichischen Staatskanzlei im Zeitalter des Fürsten Metternich (1935)
V. Gentz und Metternich - 1. Gentz
Die deutschen Angelegenheiten haben Gentz auch außerhalb der Kongresse vielfach beschäftigt, namentlich in der von Metternich bestimmten, gegen Volksvertretung und Preßfreiheit streitenden Richtung 782). Ein halbfranzösischer Diplomat, wie Friedrich Schlegel Gentz im Juni 1813 mit viel Übertreibung seinem Bruder geschildert hat, voll Verachtung gegenüber Deutschland, konnte auch späterhin dem großen nationalen Quellenwerke der Monumenta Germaniae keinen Geschmack abgewinnen; umsonst hat ihn Dr. Pertz im August 1821 in dieser Angelegenheit besucht 783). Täglich hatte Gentz viele Jahre hindurch für Metternich die Zeitungen durchzusehen, ein sauer empfundenes Geschäft — „das traurige Zeitungsrad“ —, das nach seinem Tode Prokesdi übertragen wurde781). Daneben hat sich Gentz auch mit Fragen der Organisierung der Presse — namentlich der Wiener Zeitung, für die er ja ursprünglich bestimmt gewesen war, — beschäftigt 785) und diese, den österreichischen Beobachter sowie die Wiener Jahrbücher mit halbamtlichen Artikeln versehen. Die Armeeberichte der neapolitanischen Expedition von 182 t sind von Gentz redigiert worden. Gleich Pilat und anderen stand auch Gentz mit Cottas Allgemeiner Zeitung in nahen Beziehungen. Wünschte es Metternich, dann ließ Gentz Schmähartikel gegen die deutschen Zeitschriftsteller vom Stapel78l!). Näher noch als durch seine Artikel ist Gentz als Zensor mit den Zeitungen in Berührung gekommen. Zum ersten Male im Herbst 1813 mit der Prager Zeitung. Rasch ist er dann im Feber 1814 in Wien als ein „directeur de l’opinion publique“ zum Zensor aller Zeitungen und aller literarischen, von der Polizeihofstelle der Staatskanzlei vorgelegten Erscheinungen aufgestiegen 787). Doch haben ihn die Verstöße, die auf diesem Felde nicht ausbleiben konnten, des Zensoramtes bald wieder verlustig gehen lassen, bis es ihm Metternich aus Anlaß der Wiener Ministerkonferenzen von 1819/20 aus Bretfelds Händen, dem die volle Kenntnis der Sachlage mangelte, neuerdings übertrug 788). Daß Gentz auch in literarischen Gegenständen als Zensor herangezogen worden ist, zeigt eine Tagebuchnotiz von 1830 über die Begutachtung von Zedlitzens „Totenkränzen“. Fehrbücher des Staatsrechtes sind ihm 1821 zur Zensur vorgelegt worden. Die Redakteure der Wiener Jahrbücher der Fiteratur waren in allen Gegenständen der Politik und Geschichte an Gentz gewiesen 78°). Auch die orientalischen Angelegenheiten gehörten zu 782) 25 IV 4 Über französische Preßfreiheit Frankreich Varia 99; 18 I 3 Konferenzvortrag über den Mißbrauch der Presse in Deutschland Deutsche Akten 121 (neu). 783) O. W a 1 z e I 1. c. 542; L. A s s i n g L c. 2, 451. 7M) L. A s s i n g 1. c. 3, 142; Aus den Tagebüchern d. Grafen Prokesdi-Östen 109 f. 78°) Zur Gesch. d. Wiener Zeitung 24 ff. u. ö.; A. Winkler (Festschr. d. Wiener Zeitung 1928) 65 ff., 82 ff. 786) L. Ass ing 1. c. 2, 212; A. Klinkowström, Teilnahme 742. 787) K. Mendelssohn-Bartholdi 1. c. 1, 105; 13 XII 4, 14 II 2 Hudelist an Mett. Interiora 76, 77. 788) 19 XI 17 Verordnung Mett.s Interiora 81; 20 VI 15 Mett, an Stürmer 1. c.; L. Assing 1. c. 2, 367; A. Klinkowström, Teilnahme 248, 294, 297 f., 741; Winkler-Fournierl. c. 37 f. 789) 29 III 8 Instruktion für den Redakteur der Wiener Jahrb. Große Korresp. 482; L. A s s i n g 1. c. 3, 3; E. G u g 1 i a 1. c. 262 ff.; A. Sauer, Goethe u. österr. t, XCVIII. 136