J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 2. Geschichte der österreichischen Staatskanzlei im Zeitalter des Fürsten Metternich (1935)

IV. Der Beamtenkörper der Staatskanzlei - 1. Im allgemeinen

nettskuriere und ihre Ersetzung durch Offiziere ins Auge gefaßt. Metternich aber wußte ihn durch den Hinweis auf die erprobten Vorzüge der zivilen Kuriere — der wandelnden Felleisen von niederer Bildung — davon abzu­bringen. Die intrigierten und spionierten nicht, die lud man nicht zur Tafel, um sie auszuholen, die waren lediglich diplomatische Werkzeuge, die niemand beargwöhnte — ein Ersatz der ehemaligen Herolde, eine wahre „res sacra“ 587). Die festen Bezüge der Kuriere waren so gering — 300—400 fl. jähr­lich —, daß sie ganz auf den Ertrag ihrer Dienstreisen angewiesen waren. Das verleitete sie zu „schrecklichen“ Reiserechnungen, gegen die die Staats­buchhaltung jahrzehntelang ankämpfte. Sie strich, was ihr ungebührlich verrechnet schien, ohne Begründung und lud dadurch den Vorwurf einer voreingenommenen Amtsführung auf sich. Kein Wunder, daß es die Kuriere unter so widrigen Umständen darauf anlegten, die Liquidierung ihrer Reiserechnungen so lange als möglich zu verzögern. Kurierrechnungen solcher Art, die sich bis zu zehn Jahren und darüber im Rückstand befanden, hat Niebauer 1843 mehrere Dutzend vorgefunden 588). Kurierpauschalien einzuführen, die allen ungebührlichen Aufrechnungen ein Ziel setzten, war schon 1811 — vergeblich allerdings — angeordnet worden. Ebenso wie die Interessen der Staatsfinanzen haben die Kabinettskuriere auch die Gefällsgesetze verletzt. Der überaus beschwerliche Dienst, den sie zu versehen hatten, ließ es als Grundsatz gelten, ihnen die größten Vorteile einzuräumen 589). Sie nahmen trotz aller Verbote Reisende in ihre Kaleschen und beförderten auch Briefe und Pakete, letztere zuweilen in größten Ausmaßen, Kunstgemälde, physikalische Instrumente u. dgl. Meist handelte es sich in solchen Fällen um Schmugglerware, denen die Kuriere eine solche Bedeutung beimaßen, daß sie darüber zuweilen sogar die Be­förderung der Dienstpost verabsäumten 59°). Am einträglichsten war es wohl, wenn die Kuriere Schmugglerware auf eigene Rechnung kauften und verkauften. So sind z. B. dem die türkische Kurierpost begleitenden Unter­offizier im Mai 1817 bei einer unvermuteten Revision in Hainburg sieben Schachteln mit Schmugglerware, darunter Frauenkleider, Tücher, Bänder und Schuhe abgenommen worden, die er im Orient mit Nutzen zu ver­kaufen gedachte. Auch Privatpakete an griechische Empfänger in Hermann­stadt, Bukarest und Kronstadt, von denen eines von Gentz herrührte, fanden sich vor591 *). Aber auch die Dienstpakete, wie sie etwa einmal Varnhsgen während des Speisens bei Metternich einlangen und in dessen Arbeitszimmer gebracht werden sah, enthielten zuweilen Schmugglerware. So meldete z. B. Hudelist im Mai 1812 die Ankunft großer für die Frau Gräfin u. a. bestimmter Kurierpakete aus Paris und Metternichs Leibarzt Dr. Täger berichtet, daß die Kuriere die versiegelten Aktenstücke in der Staatskanzlei, im Boudoir der Fürstin aber die Koffer mit Spitzen und Shawls abzugeben hatten. Ganz Wien soll davon gewußt haben 692). Daß 587) 29 XII 19 Vorträge 383. 588) 43 I 31 Bericht Niebauers Interiora 72. 689) 29 IV 25 Resultat der Beratungen Minister Kolowratsakten 814/1829. 60°) 20 III 4 Handel an Floret Große Korr. 449/450. M1) 17 V 2 ff. Instruktion und Bericht Interiora 58. e82) St. Hoc k, L. A. Frankl 239, 339. 101

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