Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)

I. Die allgemeine Entwicklung der Reichskanzlei von 1559-1806 - 3. Die Reichskanzlei im Kampfe mit der österreichischen Hofkanzlei bis zum Rücktritt des Reichs Vizekanzlers Schönborn

kanzlei auf dem Gebiete der Standeserhöhungen gerichtete Artikel gegen­über der Fassung in der Kapitulation Ferdinands III. wesentlich erweitert und verschärft, indem aus diesen Kanzleien unter kaiserlichem Titel ergan­gene Standeserhöhungsdiplome mit der Nichtigkeitserklärung bedroht wurden und andererseits verfügt wurde, daß die aus der Reichskanzlei den anderen Kanzleien intimierten kaiserlichen Gnadenbriefe und Privi­legien ohne weitere Taxe angenommen und respektiert werden sollten157). Die 1653 gewonnene Position hat Johann Philipp von Mainz dann bei der Wahl Leopolds I. noch verstärkt und ausgebaut. Hatten die Bestrebungen des Erzkanzlers 1653 der Sicherung des Ernennungsrechtes der Beamten gegolten, so suchte er in der Kapitulation von 1658 die volle und ausschließliche Verfügung über das T a x a m t zu gewinnen. Fortan sollte nur der Erzkanzler allein das Recht besitzen, Nachlässe und Befreiungen von den Taxen zu gewähren 158). Damit war jeder Einfluß des Kaisers auf die Gebarung mit den Taxgeldern ausgeschaltet. Wenn auch die finanzielle Lage des Taxamtes damals nichts weniger als günstig war, so war damit doch ein Wechsel auf die Zukunft gewonnen 159). Fast unmittel­bar im Anschluß an die Kapitulation machte der Kurfürst von seinem neuen Rechte Gebrauch, indem er schon am 6. August 1658 eine neue ausführ­liche T axordnung erließ, der auch eine T a X r o 11 e angeschlossen wurde, die genau festsetzte, wie hoch die Gebühren für die verschiedenen taxpflichtigen Ausfertigungen der Reichskanzlei sein und wie sie auf die verschiedenen Beamten verteilt werden sollten 16°). Diese Ordnung suchte auch einzelnen Mißständen im Geschäftsgang, besonders in der Register­führung, zu steuern. Das Hauptziel der Taxordnung war ein doppeltes: sie sollte einerseits der Steigerung der Taxeingänge dienen, die nicht nur im Interesse des Erzkanzlers, sondern auch in dem der Beamten, die mit ihren Bezügen auf die Taxgefälle angewiesen waren, dringend notwendig war, andererseits aber auch die Parteien vor Übervorteilung schützen. Johann Philipp hat es sich auch angelegen sein lassen, zwischen der deutschen und lateinischen Expedition der Kanzlei, deren Einnahmen sehr ungleichmäßige waren, einen Ausgleich zu treffen. Schon 1656 hatten auf sein Betreiben die Beamten der beiden Expeditionen eine „Union“ über die Verteilung des Bibales geschlossen, die der Kurfürst am 20. Juli 1656 bestätigte und die fortan maßgebend blieb 161). Johann Philipp setzte aber auch noch eine Erweiterung des auf das Ernennungsrecht bezüglichen 157) Riegger 2, 235 u. 239, Art. 44, Punkt 3, 4 u. 5. 168) Riegger 2, 245, Art. 45/1. 15B) Ober die Entwicklung des Taxamts vgl. unten S. 261 ff. 16°) Uffenbach, 2. Teil, 3 6 ff. 181) Vgl. hierüber das Material in R. K. Verf. A. 53. Schon 1648 war zwischen den Beamten ein Übereinkommen geschlossen worden, das der Verteilung der Arbeit galt. Diesem zufolge sollte die lateinische Expedition alles, was in der deutschen Expedition in lateinischer „aut alia exotica lingua“ zu schreiben vorkommt — die Kompetenzabgrenzung beruhte ja, wie oben S. 14 f. bemerkt, auf territorialen Grundlagen —, übernehmen, um­gekehrt die deutsche Expedition die lateinische bei deutschen Stücken unterstützen. Die Union von 1656 wurde durch eine Eingabe des Personals der lateinischen Expedition an den Erzkanzler hervorgerufen, indem dieses über die Beeinträchtigung durch die deutsche Expedition klagte und Gleichberechtigung verlangte. Sie wurde ohne Vorwissen des damaligen lateinischen Sekretärs Walderode abgeschlossen, der auch dagegen protestierte. 48

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