Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)

I. Die allgemeine Entwicklung der Reichskanzlei von 1559-1806 - 2. Die Reichskanzlei unter Rudolf II. und Mathias

und dieser Mathias nahelegte, Westernachers Stelle mit dem niederöster­reichischen Regimentsrat Pichlmair zu besetzen, wovon der Erzherzog aber nichts wissen wollte71). Unverzagt war demnach noch immer der tatsächliche Chef der Wiener Kanzleiabteilung, er hat auch in dieser Zeit gelegentlich noch wichtigere Stücke selbst konzipiert. Auffallend ist, daß Unverzagt seit 1586 nicht mehr in den Büchern des Reichstaxamtes unter den Gehaltsempfängern vorkommt und auch tatsächlich kein Gehalt mehr aus den Taxgefällen bezog, sondern lediglich die Barauslagen für die Wiener Kanzlei mit dem Reichstaxamt verrechnete. Man wird ihn somit nur mehr bedingt als einen Beamten der Reichskanzlei ansprechen dürfen. Nach seiner Berufung zum Hofkammerpräsidenten ist auch offenbar niemand mehr an seine Stelle gesetzt worden. Im Jahre 1603 schrieb Mathias abermals dem Kaiser, daß er den schon genannten Regimentsrat Pichlmair „als einen director dises wesens expedition“ abgelehnt habe 72). Als rangältesten Beamten finden wir seit Unverzagts Abgang den Sekretär Georg Schrötl, ohne daß man ihn als Kanzleileiter wird bezeichnen dürfen. Es hängt dies wohl auch damit zusammen, daß sich Mathias neben der Wiener Abteilung der Reichskanzlei eine eigene Kanzlei geschaffen hatte. Schon seit 1582 diente ihm als Hof Sekretär Hermann Rentz, der früher Schreiber in der Reichskanzlei gewesen war 73). Dieser unterzeichnet beispielsweise 1597 ein Schreiben des Erzherzogs an Rudolf II.74). Wohl bald nach der Übernahme der Wiener Statthalterschaft durch Mathias im Jahre 1598 treffen wir auf Ulrich von Khrenberg als Hofkanzler des Erz­herzogs. In den Jahren 1604—1607 findet man dann zahlreiche Schrift­stücke, die neben der Unterschrift des Erzherzogs die Khrenbergs und Schrötls tragen 75), woraus wohl gefolgert werden muß, daß damals Khren­berg die tatsächliche Oberaufsicht über die in Wien befindliche Abteilung der Reichskanzlei innehatte. Was das dieser Abteilung zugeteilte Personal an Kanzleischreibern betrifft, so überschritt es bis in die ersten Jahre des 17. Jahrhunderts die Zahl vier kaum. Eine Trennung in eine deutsche und lateinische Expedition gab es natürlich bei dieser geringen Zahl von Beamten nicht. In den Jahren 1589—1600 werden uns als Kanzleischreiber in Wien Peilstein, Wagner, Bausegg, Fraunberger, Rostinus, Summer, Kampart, Hörmann, Grapler und Straub genannt78). Der Personalstand im Jahre 1607 bestand aus dem Sekretär Schrötl, dem Registrator Fraun­berger, dem Konzipisten Tarsia für die lateinischen Stücke und den Schrei­bern Grapler, Findsguet, Griesser, Gerhard Questenberg, Neubeck, Thomas Fehlin, Wasserbögg sowie dem Zimmerwärter Rampf77) und war somit auf eine ganz ansehnliche Zahl angewachsen. Indessen reichte die Zahl der Beamten nicht aus. Mathias forderte vom Kaiser im selben Jahre die Absendung von zwei weiteren tüchtigen Schreibern und einem lateinischen Konzipisten, da außer Tarsia keine Arbeitskraft für lateinische Schrift­71) österr. Akt. Nd.-Öst. 9: 1601 Juni 25 u. Juli 22, Rudolf an Mathias. 72) Ebda. 1603 Juli 2. 73) Farn. Akt. 50: 1605 Febr. 26. Mathias an Rudolf. 74) Ungarn 130: 1597 Dez. 19. 75) österr. Akt. Ob.-Öst. 7. 7e) Taxamt Kart. 6 u. R. K. Verf. A. 34 b. 77) R. K. Verf. A. 34 b. 28

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