Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)
VI. Biographische Daten und Betätigung der einzelnen Beamten - 1. Die Reichsvizekanzler
hatte demselben seither ununterbrochen angehört, da ihn auch Mathias 1612 von neuem bestellt hatte 224); seit 1620 war er Vizepräsident des Reichshofrates, welches Amt er schon 1609 verwaltet hatte 22S). Noch unter Rudolf II. hatte er verschiedene wichtige Posten bekleidet, so war er 1607/1608 Assistenzrat am Regensburger Reichstag 226). Noch unter Mathias war er im Sommer 1618 an die Fürsten und Stände Schlesiens abgeordnet worden. Wir besitzen sein Tagebuch über diese Gesandtschaftsreise, der 1619 eine weitere zum Kurfürsten von Sachsen folgte 227). Unter Ferdinand II. muß er bald auch in den geheimen Rat berufen worden sein. Seit er Ulm vertrat, gehörte er ihm jedenfalls an. Wenn er nun 1627 Ulms Nachfolger wurde, übernahm er nur eine ihm wohlvertraute Bürde. Schon 1625 berichtete der Vertreter Maximilians von Bayern, daß Stralendorff in Abwesenheit Eggenbergs die das Reich betreffenden Sachen „maneggiere“ und im Herbst desselben Jahres hören wir von langen Beratungen des Kaisers mit Eggenberg und Stralendorff 228), der bei Ferdinand II. zweifellos schon damals eine starke Stellung hatte, wenn er auch damals und auch noch später nicht ständig an den Beratungen des geheimen Rates teilnahm, sondern nur an jenen, bei denen Reichsangelegenheiten zur Sprache kamen 229). In den Monaten, die seiner Ernennung zum Vizekanzler vorausgingen, muß Stralendorff vorübergehend vom Hofe beurlaubt gewesen sein, da wir an seiner Stelle Ende Juli 1627 den böhmischen Vizekanzler Otto Freiherrn von Nostitz unterzeichnen sehen 23°). Gleich seinem Vorgänger gehörte Stralendorff zu den fleißigen Reichsvizekanzlern. Die Zahl der von ihm selbst geschriebenen Konzepte ist bedeutend und sehr oft trifft man auf Korrekturen von seiner Hand. Schon als Vizepräsident des Reichshofrats hat er Konzepte, die im Laufe von Reichshofratsprozessen verfaßt wurden, korrigiert231). Besonders lebhaft war seine konzeptive Tätigkeit bei den Instruktionen und Weisungen an die verschiedenen kaiserlichen Gesandten 232). Des öfteren schrieb er auch das Votum der deputierten Räte eigenhändig nieder23S). Stralendorff, der während seiner ganzen Vizekanzlerschaft auch Vizepräsident des Reichshofrates blieb, präsentierte auch fast alle für den Reichshofrat bestimmten Einlaufstücke. Der Konflikt, den Ulm mit Fürstenberg hatte, scheint sich unter ihm nicht wiederholt zu haben. Stralendorffs politische Stellung bedürfte noch der Aufklärung, am meisten hat sich Hermann H a 11 w i c h mit ihr beschäftigt. Daß er zur „bairischen Faktion“ am Kaiserhofe gehörte und zu den Gegnern Wallen224) Chroust, Br. u. A. 10, 609, Anm. 1. 225) S t i e v e 6, 574. 22e) S t i e v e 6, 109 u. 1 jo. 227) Böhmen Fasz. 52. 22S) G ö t z, Briefe u. Akt. N. F. II/2, 125 u. 399. 229) Dies geht aus dem bei Fellner-Kretschmayr I/2, 206 ff. gedruckten Hofstaatsverzeichnis von 1627/28 hervor und darauf hat schon Kretschmayr, Reichsvizekanzleramt 433 hingewiesen. Es scheint aber, daß in späteren Jahren Stralendorff an allen Sitzungen teilnahm, der Status Regiminis von 1637 weiß jedesfalls von einer solchen Einschränkung nichts. 23°) R. T. A. 97: 1627 Juli 25. 231) Vgl. das Mandat gegen den Abt v. Kempten v. 1620 Okt. 19 i. Mandate 7. 232) Vgl. Friedensakt. 9°: 1631, Friedensakt. 11 a: 1635. 233) Friedensakt. 8: 1628 Aug. 8. 335