Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)
VI. Biographische Daten und Betätigung der einzelnen Beamten - 1. Die Reichsvizekanzler
überschwenglichen Worten rühmt der Reichsvizekanzler darin die ausgezeichneten Eigenschaften und die hohen Verdienste des Bischofs und bittet am Schlüsse den Kaiser, seine Anregung geheim zu halten, damit es durchaus so erscheine, daß der Kaiser, wenn er Khlesl den Fürstenstand verleihe, motu proprio gehandelt habe. Hammer-Purgstall gab der Überzeugung Ausdruck, daß dieser Vortrag nicht Ulms, sondern Khlesls eigener Initiative entsprungen sei, der sich lediglich des ihm gefügigen Vizekanzlers bedient habe und daß alles ein zwischen beiden abgekartetes Spiel gewesen sei 204). Mag auch Hammer-Purgstalls Schlußfolgerung, daß Ulm einer der wärmsten Freunde Khlesls war, unzutreffend sein, so zeigt dieses überaus merkwürdige Schriftstück doch, daß zumindest äußerlich zwischen den beiden Männern freundschaftliche Beziehungen bestanden und seit dem Regensburger Reichstag eine wesentliche Annäherung eingetreten war. Später muß sich das Verhältnis der beiden jedenfalls wieder getrübt haben, wir finden Ulm an der Seite der Widersacher Khlesls, die sich um Erzherzog Maximilian sammelten 205). So stark auch Khlesls Stellung und so groß sein Einfluß beim Kaiser war, so wird man Ulm doch nicht zu gering einschätzen dürfen. Man wird ihm gerechter werden, wenn man seine Arbeit im einzelnen etwas verfolgt. Ulm war einer der fleißigsten Vizekanzler. Seit Seid und Zasius sind von keinem seiner Vorgänger so viele eigenhändige Konzepte und Korrekturen erhalten wie von ihm. Er neigte zweifellos auch zu einer gewissen Vielschreiberei. Mit großer Genauigkeit pflegte er auf den einlaufenden Stücken das Präsentationsdatum zu notieren und versah sie meist auch mit einem Rubrum, sehr oft auch mit Bemerkungen und Anweisungen über die ihnen zu gebende Erledigung, die er dann oft mit „fiant concepta“ oder einer ähnlichen Wendung einleitet. Zahlreich finden sich auch längere Memorialien und Denkschriften von seiner Hand 206). Seine Tätigkeit wird auch gut beleuchtet durch seine Arbeit an den Entwürfen der Reichshofratsordnung des Kaisers Mathias von 1617 207). In den verschiedenen, vom Sekretär Pucher verfaßten Konzepten nahm er viele Verbesserungen vor und er zeigt sich hier deutlich als der leitende Kopf. In heiklen Fällen hat Ulm auch seine Konzepte selbst chiffriert, wie er anderseits auch eingehende Schreiben eigenhändig dechiffrierte 208). Gelegentlich hat er auch geheime Schreiben des Kaisers selbst mundiert 209). Der Tod des Kaisers Mathias bedeutete für Ulm zunächst das Ende seiner Vizekanzlerschaft, doch waren seine Beziehungen zu Ferdinand II. zweifellos gute. Wir treffen ihn am 1. und 2. Mai 1619 im geheimen Rate Ferdinands neben Eggenberg, Meggau, Trauttmansdorff und Gez, die damals Ferdinands vornehmste Berater waren 21°). Am 8. Mai beschloß der geheime Rat unter Vorsitz des Königs, den geheimen Rat Ulm als Gesandten an Herzog Maximilian von Bayern zu entsenden. Am 15. Mai "*) a- a. O. 3, 73 f. *“) Ritter a. a. O. 437. ■°8) Vgl. z. B. öst. Akten Böhmen Fasz. 50. S07) R. H. R. Verf. A. 1, Nr. 3. s#8) Vgl. 1620 Febr. 17 u. Febr. 20 Schreiben an und vom Hzg. von Bayern i. Böhmen Fasz. 57. aM) So das K. Ferdinands II. an Ehg. Albrecht v. 24. März 1620 i. Belgien, Hof- korresp. 11. ®“) R. K. Wahl- u. Krön. A. 8, Protokoll Puchers. 332