Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)

VI. Biographische Daten und Betätigung der einzelnen Beamten - 1. Die Reichsvizekanzler

deren Bearbeitung dem Reichshofrat zukam. Charakteristisch für ihn ist der Vermerk, mit dem er diese Stücke dem Reichshof rat zuwies und der auch von seinen nächsten Nachfolgern beibehalten wurde. Vieheuser schrieb auf derartige Akten diesen Vermerk in seiner klobigen, charakteristischen Schrift stets in der Form „hrath“. Er findet sich auf der überwiegenden Masse der im Reichshof rat zur Verhandlung gelangten Eingaben und zeigt, daß sie alle durch die Hand des Reichsvizekanzlers gegangen sind. Weniger günstig muß das Urteil über Vieheusers Regiment in der Kanzlei und seine Behandlung der Kanzleipersonen lauten. Von brutaler Härte gegen die unter­geordneten Beamten, denen gegenüber er in seinem Jähzorn auch vor Tätlich­keiten nicht zurückscheute, wird man ihn nicht freisprechen können. Aber auch mißbräuchliche Verwendung von Taxgeldern, besonders zur Einrich­tung seiner Privatwohnung, und Protektionswirtschaft bei der Aufnahme der Beamten wurde ihm von Erstenberger zum Vorwurf gemacht 87). Vie­heusers Stellung beim Kaiser war allem Anschein nach eine ziemlich starke. Mit Trautson gehört er zu den ständigen Beratern des Kaisers. Der päpst­liche Nuntius sagt sogar von ihm einmal — wohl stark übertrieben —, daß er jede Sache durchsetze88). Auf dem Reichstag von 1582 finden wir ihn als energischen Vertreter der kaiserlichen Rechte 89). Mit dem Herzog von Bayern stand er während seiner ganzen Vizekanzlerschaft in den besten Beziehungen 90). Er unterstützte lebhaft die bayrische Politik im Kampfe um das Kölner Erzbistum 91). An seinem Amte hing Vieheuser nicht eben sehr. Schon 1582 ließ er sich vom Kaiser in einem eigenen, vom 26. Sep­tember datierten Dekrete die Enthebung vom Vizekanzleramte nach Ablauf von zwei Jahren zusichern92 93). Indessen kam es dazu nicht. Im Herbst 1586 hören wir jedoch, daß Vieheuser neuerdings energisch seine Entlassung erbeten habe. Der Kaiser mußte diesen Bitten nachgeben und beurlaubte den Vizekanzler zunächst für zwei Monate, worauf sich dieser im Oktober 1586 auf seinen Besitz nach Oberlauterbach begab. Rudolf II. war jedoch nicht geneigt, Vieheuser endgültig ziehen zu lassen und ersuchte den Kur­fürsten von Mainz, alles aufzubieten, um jenen im Dienste zu erhalten, da noch kein geeigneter Nachfolger gefunden war 9S). Für die Zeit der Abwesenheit Vieheusers vom Hofe traf der Kaiser die Verfügung, daß Missiven und „gemeine Sachen“ lediglich von den Sekretären gefertigt W’erden, Privilegien und andere „Hauptfertigungen“ ihm zur Unterschrift nachgesandt werden sollten 94). Schon am 5. Dezember berief der Kaiser Vieheuser in einem eigenhändigen Schreiben wieder zum Dienste ein, doch konnte dieser dem Auftrag nicht folgen, da er bald nach seiner An­kunft in Lauterbach erkrankt war. Er versprach, nach Weihnachten zu kommen 9B). Er sollte jedoch das Krankenlager nicht mehr verlassen. Am 87) Vgl. oben S. 23. 88) Nuntiaturber. hg. v. d. Görresgesellschaft I/i, 202: Sega an Kard. Azzolino v. i. Juli 1586: „et puö ogni cosa.“ 89) Bezold, Briefe d. Pfalzgfn. Johann Casimir 1, 542, Anm. 2 u. 551. 90) Vgl. Bezold 3, 740. 91) Vgl. Lossen Vorgesch. 663. 92) R. K. Verf. A. 2. 93) Ebda.: Mainz an Rudolf 1586 Sept. 12 u. Rudolf an Mainz 1586 Okt. 6. 94) Ebda.: Rudolf an Vieh. 1586 Okt. 9. 95) Ebda.: 1586 Dez. 14. 318

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