Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)

I. Die allgemeine Entwicklung der Reichskanzlei von 1559-1806 - 1. Die Neuorganisation der Reidiskanzlei im Jahre 1559 und ihre Entwicklung bis zum Tode Maximilians II

kanzlerische Fassung alle Konzepte derselben unterziehen wollte. Der Erzkanzler bequemte sich auch hier den Wünschen des Kaisers an, wie er sich auch in einigen minder wichtigen Detailfragen, wie der der Reichs­lehenbücher, nachgiebig erwies. Man hat durchaus den Eindruck, daß Erzbischof Daniel seinen in den wesentlichen Fragen erzielten Erfolg nicht durch Hartnäckigkeit in minder wichtigen Punkten gefährden wollte. Schon zu Beginn der Verhandlungen über die Kanzleiordnung hatte sich der Erzbischof mit Seid als Reichsvizekanzler einverstanden erklärt und auch der Ernennung Wolf Hallers zum Reichssekretär zugestimmt. So konnte die große Kanzleiordnung, die für die Reichskanzlei bis zu ihrem Ende maßgebend geblieben ist, ohne große Schwierigkeiten und Meinungs­kämpfe zustande gebracht werden. Bevor wir uns mit ihrem Inhalt im einzelnen näher befassen, muß noch der weiteren bisher unbekannten Verhandlungen gedacht werden, die sich zwischen der Erlassung der Kanz­leiordnung und dem Ende des Reichstages abspielten 15). Nach der feierlichen Publikation der Kanzleiordnung am 13. Juni und der ihr folgenden Vereidigung einiger neu auf genommener Beamten — das bisherige Kanzleipersonal wurde dem Erzkanzler nur durch Handschlag verpflichtet — präsentierte der Kaiser dem Erzkanzler alsbald in der Person des bisherigen Landshuter Kanzlers Herzog Albrechts von Baiern Dr. Johann Baptista Weber den in der Kanzleiordnung vorgesehenen Ver­treter des Vizekanzlers für dessen Funktionen im Reichshofrat. Der Erz­kanzler hat Weber schon am 16. Juni auf die für den Vizekanzler vorge­schriebene Eidesformel vereidigt16). Wenn auch die Stilisierung des auf diesen Vertreter des Vizekanzlers bezüglichen Absatzes der Kanzleiord­nung davon spricht, daß der Kaiser an Stelle des Vizekanzlers eine andere Person „verordnen“ soll und daraus ein unbeschränktes Ernennungsrecht des Kaisers gefolgert werden kann, so widerspricht das eigentlich der allgemeinen Bestimmung über das erzkanzlerische Recht zur Aufnahme der Beamten. Wie immer man diesen Absatz auffassen will, jedenfalls ging die Berufung Webers vom Kaiser aus, der ihn nach Augsburg rief, und der Erzbischof scheint seiner Ernennung keine Hindernisse bereitet zu haben. Wohl aber war er darauf bedacht, sich noch über die Kanzleiordnung hinaus Sicherheit für seine Ansprüche zu schaffen. Formell bestand ja eigentlich nur das für die Dauer des Reichstages geschlossene Abkommen vom 3. April, und wenn man wollte, konnte man schließlich auch erklären, daß die Kanzleiordnung nur für den Reichstag gedacht sei, wenn auch ihr ganzer Inhalt das Gegenteil bezeugt. Der Erzbischof wollte aber sicher gehen und betrieb bei Seid, als der Reichstag zu Ende ging, den Abschluß einer „völligen Vergleichung“ mit dem Kaiser. Die neuen Verhand­lungen begannen am 7. August, Bevollmächtigte des Kaisers waren Seid, der Reichshofratspräsident Karl Graf von Zollern und Georg Ilsung. Dem Kurfürsten war es hauptsächlich darum zu tun, sein Recht der Kanzlei­leitung durdi den Vizekanzler auch für die Zeit seiner Abwesenheit vom Hof sowie die Verfügung über beide kaiserliche Siegel bei Anwesenheit am 15) Audi hierüber unterrichtet uns jener Band der Mainzer Reichstagsakten. Uber Webers Berufung an den Kaiserhof vgl. den Bericht Hundts an Hzg. Albrecht V. 7. Juni 1559 bei Walter G ö t z, Briefe u. Akten z. Gesch. d. 16. Jhts. 5, 156. 11

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