Historische Blätter 7. (1937)

Fritz v. Reinöhl: Das politische Vermächtnis Kaiser Franz I.

in Umlauf gesetzt habe und aus Angst, mit dem Tode des Kaisers um seine Stellung zu kommen, sich die Stelle des Präsidenten eines Minister- konseils sichern wolle, um dann selbst zu regieren. Als diese Gerüchte dem Kaiser zu Ohren kamen, erklärte dieser, er „würde so etwas nie zulassen“ 21. Daß Metternich später den Versuch unternahm, sich zu Leb­zeiten Franzens die Leitung der Staatsgeschäfte unter dessen Nachfolger zu sichern, vom Kaiser aber zurückgewiesen wurde, wurde schon er­wähnt. Nach dem Tode des Kaisers haben dessen Brüder, die Erzherzoge Karl, Joseph, Anton, besonders aber Erzherzog Johann die Auffassung vertreten, daß das Handschreiben klar den Wunsch ausspreche, daß Erzherzog Ludwig an die Spitze der Regierung trete. Auch der Schreiber des Vermächtnisses, Bischof Wagner, hat sie geteilt; er mußte die Auf­gabe übernehmen, Erzherzog Ludwig davon zu überzeugen, daß dies der Wille des Verstorbenen sei, den zu erfüllen er verpflichtet sei. Auch Kolowrat schloß sich dieser Auffassung an. Als ihm nämlich Metternich vorschlug, eine aus ihnen beiden bestehende Regierung zu bilden, lehnte er das Anerbieten ab und verwies auf das Handschreiben, welches Erz­herzog Ludwig zur Bildung eines Zentrums berufe. Erst nach schweren Kämpfen fügte sich Metternich. Das Handschreiben des verschiedenen Kaisers war zur Waffe gegen Metternich geworden 22 23. Es scheint mir daher nicht zu bezweifeln, daß das staatspolitische Handschreiben von Kaiser Franz selbst oder nach seinen Weisungen mit Verwertung des Metternichschen Entwurfes zu einer Belehrung des Thron­folgers verfaßt wurde. Ob dies am 28. Februar geschah, erscheint zweifelhaft und es mag ein Körnchen Wahrheit in der Mitteilung der Augsburger Zeitung liegen, daß der Kaiser am Morgen des 28. Februar den Kabinettsdirektor Martin habe rufen lassen, was — in allerdings unrichtiger Verbindung — auch Melanie Metternich behauptet2S. Vielleicht hat Martin dem Kaiser zu dieser Zeit einen schon bestehenden Entwurf überbracht. Das Ergebnis, zu dem wir gekommen sind: Entschluß des Kaisers, sein politisches Testament ausfertigen zu lassen, Diktieren des­selben nach einem vermutlich schon vorhandenen Konzept und eigenhändige Unterzeichnung ist mit dem Ergebnis der von berufenster ärztlicher Seite abgegebenen, oben angeführten Äußerung durchaus vereinbar. 21 Tagebuch Erzh. Johanns. 5., 6., 10. I. 1826. 22 Tagebuch Erzherzog Johanns. Die Verhandlungen, die zur Bildung des drei­gliedrigen Zentrums Erzherzog Ludwig, Metternich, Kolowrat führten, werde ich an anderer Stelle darstellen. 23 Augsburger Zeitung, Beilage Nr. 71, S. 566. Nachgelassene Papiere, Bd. 5, S. 624. 78

Next

/
Oldalképek
Tartalom