Historische Blätter 7. (1937)

Paul Kletler: Karl der Grosse und die Grundlegung der deutschen Kultur

ab, so erkennen wir, daß es durchwegs germanische Völker sind, wenn sie auch zum Teil der Sprache nach bereits romauisiert sind. Es handelt sich nun darum, festzustellen, wie weit diese Völker zur Zeit Karls des Großen ihr germanisches Volkstum noch bewahrt hatten11 und wie weit dies der Zeit selbst bewußt war. Das Volkstum der Langobarden war damals noch fast unver­sehrt. Denn wenn auch ein Teil des Adels sein Volksbewußtsein verloren hatte und die Sprache des staatlichen Lebens das Romanische war, die unteren Volksschichten — und teilweise wohl auch die höheren bis hinauf in die höfischen Kreiselb — bewahrten ihr Volkstum, sprachen langobardisch bis etwa zur Jahrtausendwende. Ja, das langobardische Recht hielt sich noch bis ins 11. Jahrhundert10. Die Romanisierung der Langobarden vollzog sich hauptsächlich im Laufe des 10. Jahrhunderts. Noch im 9. Jahrhundert war das Langobardische eine lebendige Sprache, im 8. Jahrhundert, zur Zeit Karls des Großen, stand es noch in Blüte. Es begann nur das romanische Lautsystem in das Langobardische einzudringen, da die Bevölkerung bereits zweisprachig geworden war. Dieses zähe Leben der langobardischen Art hat seinen Grund darin, daß die Langobarden erst 568, also verhältnismäßig spät und verhältnismäßig wenig beeinflußt von der romanischen Kultur, nach Italien kamen und überdies in vollem Gegen­sätze zum Oströmischen Reich 2. Indem die Langobarden die Reste der Ostgoten in sich aufnahmen, wurde auch deren germanisches Volkstum wieder aufgefrischt und hielt sich nun wenigstens kulturell — jedenfalls im Recht — in einzelnen Spuren gleichfalls bis ins 11. Jahrhundert. Ja, selbst bei den Westgoten war das Volkstum zur Zeit Karls des Großen wohl noch nicht ganz zerstört, wenn auch die Sprache nicht mehr im Gebrauch gewesen sein mag. Denn diese ist zwar der wichtigste, aber durchaus nicht der einzige Ausdruck des Volkstums. Die Kultur über­dauert in der Regel die Sprache. Ihre Sprache gaben die iberischen Goten ungefähr gleichzeitig mit den Burgundern auf, im Laufe des 7. Jahrhunderts, aber die Romanisierung erfolgte hier doch eher lang­la Auf Grund von Ernst Gamillscheg, Romania Germanica (Grundriß der germ. Philologie, begr. von H. Paul It I—III), 1834—1936, und Ludwig Schmidt, Das germanische Volkstum in den Reichen der Völkerwanderung (Histor. Vierteljahrs­schrift, 29. Jg., 1935). lb Das zeigt der leidenschaftliche Nationalstolz Liudprands von Cremona, der — zuletzt als Kanzler Berengars — wie schon sein Vater in königlichen Hofdiensten zu Pavia stand. i° oder gar bis ins 13. Jahrhundert, siehe R. Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte 6, 267. 2 0. Redlich, Die Privaturkunden des Mittelalters, 15.

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