Historische Blätter 7. (1937)
Paul Kletler: Karl der Grosse und die Grundlegung der deutschen Kultur
Bienen handelt, bernit sich die Capitulatio ausdrücklich66. Das Entscheidende aber ist, daß Karl auch mit der Christianisierung politische Ziele verfolgte. Es handelt sich ihm nicht um geistige Unterdrückung an sich, sondern um die endgültige Sicherung der militärischen Eroberung, was eben nicht mit sanften Mitteln zu erreichen war. Damit sind wir wieder zum Ausgang unserer Ausführungen über die Bedeutung der Christianisierung für die Entwicklung des deutschen Volkes zurückgekehrt, nämlich zur Betrachtung der Christianisierung als Mittel der Machtpolitik. Diese vom Standpunkte der Religionsgeschichte äußerliche Betrachtungsweise kann bei einer Gesamtwertung der Christianisierung für die deutsche Geschichte gar nicht genug in den Vordergrund gestellt werden. Wenn also auch später, etwa im 13. Jahrhundert, im beginnenden 14. oder ausgehenden 16. und im 17. Jahrhundert im Christentum negative Vorstellungen (Sünde, Angst, Teufel und Hölle) die positiven (Gott als höchstes Gut) zurückdrängen, Fanatismus über Duldsamkeit, Askese über Diesseitigkeit siegt und so das deutsche Wesen durch die Kirche manche schwere Schädigung erleidet: im Frühmittelalter überwiegt der Nutzen, der Segen des Christentums bei der schöpferischen Gestaltung der deutschen Kultur. Das führt uns zur Frage der Bewertung fremden Einflusses überhaupt. Wie war es mit der Antike, der zweiten großen Kulturmasse, die den Germanen, eng verschlungen mit dem Christentum, hauptsächlich durch die Kirche vermittelt wurde. Nicht auf einmal, nicht als relativ Ganzes, wie in der Renaissance des 15. Jahrhunderts, sondern allmählich, im ununterbrochenen Nachleben der antiken Kultur. Man hat von einer „schicksalmäßigen und vorsehungsgewollten Verbindung“, von einer „prästabilierten Harmonie“ zwischen Germanentum und Christentum gesprochen und auf der Gegenseite von einer „schicksal- und vorsehungsgewollten Ehe zwischen Deutschtum und antikem Heidentum“ und hat sich diese verschiedene Auffassung gegenseitig sehr übel genommen s7. Wir sahen aber beim Christentum, daß nicht die möglichste innere Verwandtschaft das Entscheidende ist, sondern daß die Germanen auch von ihrem Wesen Verschiedenes, ihnen Fremdes schöpferisch umgestaltet oder mit Eigenem schöpferisch zu etwas Neuem verschmolzen haben. So war es auch bei der Antike. Es handelt sich nicht um eine Annäherung der Germanen an die Höhe der antiken Kultur, nicht um ä6 Siehe R. Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, 6. Aufl., I, 272 f.; vgl. Hans y. Schubert, 1. c. 336. 57 Vgl. C. Neumann, Histor. Zeitschr., Bd. 133 (1926), 469 und H. Rückert, 1. c. 5. 26