Historische Blätter 5. (1932)

Georg Wittrock: Gorčakow, Ignatiew und Šuwalow

einer vollständigen Zersplitterung und Sprengung der Besitzungen der Pforte führte: hatte das Wiener Kabinett im Laufe der Kriegsbegeben­heiten es für nötig befunden, jene Landschaften zu okkupieren, müßten sie also unter der genannten Voraussetzung wieder geräumt werden. Weiter drang Gorcakow darauf, daß jede Erwähnung russischer Annexionen in Asien fortfallen solle: Rußland begehre freilich nichts anderes als Batum und ein so großes anliegendes Gebiet, als es nötig sei, um eine gute Grenze zu bekommen; seine Interessen und diejenigen Österreich-Ungarns berührten sich aber in Asien nicht; erwünschte Erweiterungen oder Verbesserungen („rectifications“) der Grenzen Rußlands an jener Seite könnten darum nur von seinem eigenen Urteil über das Kriegsresultat abhängen 84. Als Andrässy die Wünsche des Staatskanzlers prüfte, fand er darunter einige, denen er und sein Kaiser ohne viel Bedenken zustimmen konnten: dazu gehörten eine genauere Abgrenzung der Herzegowina; Austausch des Ausdrucks „autonome“ gegen „unabhängige“ bei den neuen Staaten, die, wenn die Türken ganz vertrieben würden, in Bulga­rien, Albanien und dem Überreste von Rumelien gebildet werden könnten; Nennung „eines Teiles von Epirus“ nebst Thessalien und der Insel Kreta unter den Ländern, die unter derselben Voraussetzung Griechen­land zufallen könnten; endlich auch Ausschließung der Worte, die russischen Erwerbungen auf asiatischem Boden galten. Er hielt jedoch im Prinzip an dem Interesse Österreichs auch an solchen Fragen fest, weil es nach den Verträgen von 1856 Garant des ganzen Osmanischen Reiches war. Daß gerade diese russische Forderung Unruhe erregt hatte, zeigen die Berichte Graf Stolbergs nach Berlin mit den darauf abgegebenen Antworten. Man schloß am Ballplatz aus der Haltung Gorcakows, daß er auf einer Seite vollkommen freie Hand haben wolle — Bismarck setzte hier ein russisches mojkho —, aber nach dem deutschen Kanzler konnte man hier auch eines der Zeichen einer überwiegenden Rücksichtsnahme auf England sehen 85. 84 Andrássys Warten: Stolberg an B. v. Bülow Wien 1. und 12. Febr. 1877; die Ankunlt der Antwort: derselbe an denselben 15. Febr. (Abschrift). Berlin. Diese Stücke sind in Historisk Tidskrift 1931, S. 408 f., als Anlage 15 a—c abgedruckt. — Gorcakow an Nowikow St. Petersburg 26. Jan. a. St. (Ab­schrift). Berlin. Ebenda, S. 409f., als Anlage 16 gedruckt. 85 Andrässy an Langenau Wien 28. Febr. 1877 (Abschrift). Berlin. In Historisk Tidskrift 1931, S. 411 ff., als Anlage 17 gedruckt. — Stolberg an B. v. Bülow Wien 15. Febr. (Abschrift), 19. Febr. (Ausfertigung); B. v. Bülow an Stolberg Berlin 19. Febr. (Auszug). Berlin. — Vgl. Goriainow, Le Bos- phore et les Dardanelles, S. 336. 116

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