Historische Blätter 4. (1931)
Ferdinand Bilger: „Großdeutsche“ Politik im Lager Radetzkys
Datierung vom 18. August 1848, aus Tagen, in denen die Verwicklungen der Gegenwart kaum geahnt wurden. Sollte die Antwort an der großen deutschen Frage, an der sichtbaren Spannung zwischen Österreich und Preußen mit einigen farblosen Phrasen vorübergehen? Wir fragen uns, wie war Radetzkys persönliche innere Stellung zu Preußen, zu dem Staate, mit dessen Heere er den Kampf gegen Napoleon gemeinsam durchfochten hatte. Prinz Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen erzählt in seinen Erinnerungen, wie ihm der alte Feldmarschall, als er sich im Oktober 1855 zu Verona bei ihm meldete, sogleich die Adresse des Gardekorps gezeigt habe und voll Freude gewesen sei, unter den Unterschriften den Namen des jungen Hauptmannes zu finden. Radetzky sei in gewissem Sinne, ebenso wie Windischgrätz, ein Freund Preußens gewesen, weil er in dem Zusammengehen der beiden Staaten eine Notwendigkeit auch für Österreich gesehen habe98. Der preußische General Willisen hatte die Geschichte des Feldzuges von 1848 noch zu Ende des Kriegsjahres mit tiefer Bewunderung für den österreichischen Feldherrn, in dem er „die Seele der Armee“ 99 verehrte, niedergeschrieben und sein Buch dem Feldmarschall gewidmet 10°. Enger verbunden war dieser den großen Persönlichkeiten des Preußens von 1813. Noch 1834 schreibt er von der Heeresorganisation dieser Zeit, sie sei „des unvergleichlichen Scharnhorst geniale Idee“ gewesen101. Über das Persönliche hinaus war seine Stellung sachlich dann durchaus österreichisch bedingt. Eben diese Nationalbewaffnung, das Erbe Scharnhorsts, heißt es an derselben Stelle, gebe Preußen „eine unverhältnismäßige Kraft“. Am tiefsten dringend hat sich der Feldmarschall in seiner „Militärischen Betrachtung über die Tage Österreichs“ vom Jänner 1828, die wir schon kennen, geäußert. Nirgends ist das eigenste innere Gesetz der 98 Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen, Aus meinem Leben, I. 348 und 266. Ober Radetzkys unbehagliche Stimmung, als er im November 1850 vor der Entscheidung von Olmütz das Kommando gegen Preußen übernehmen sollte, siehe Friedjung, Österreich von 1848—1860, II, 113. Vgl. auch Srbik, Metternich II, 406. 99 So erzählt Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten II. 50. io° w. v. Willigen, Der italienische Feldzug des Jahres 1848, Berlin 1849, Widmung an Radetzky vom Dezember 1848. Willisen war dann während der letzten Phase der Belagerung von Venedig Gast des österreichischen Hauptquartiers. Auch Wrangel hatte Radetzky im Herbst von 1844 bei den Manövern vor Verona besucht, war aber dem Feldmarschall, wie Hohenlohe erzählt, nicht angenehm gewesen. Augsb. Alig. Zeitg. vom 12. Oktober 1844 und Hohenlohe a. a. O. 349. 101 In der oben zitierten Denkschrift von 1834, S. 537. Metternich sah dagegen in Scharnhorst den „Demagogen“. Srbik a. a. O. II. 381. 25