Historische Blaetter 2. (1921)

G. v. Below: Zur Geschichte der deutschen Geschichtswissenschaft

aus der Romantik würde selbst dann, wenn außerhalb ihres Kreises keine wirtschaftsgeschichtlichen Studien betrieben worden wären, die Meinung, wie sie Tröltsch vertritt, widerlegen, daß wesentlich erst mit dem Marxismus das Studium der Wirtschaftsgeschichte beginnt. Tröltsch kann denn auch seine Meinung nur aufrecht halten, indem' er — so in seiner Abhandlung über den Marxismus — das Aufkommen der historischen Schule der Nationalökonomie übergeht. An anderer Stelle — in seiner Abhandlung über den Positivismus S. 63 — äußert er sich zwar über sie, aber auf sehr eigenartige Weise.. „Schmollers ,Grundriß der Nationalökonomie“ ist“ — so behauptet er — „ganz auf Spencersche Methode aufgebaut, wenn auch für die eigentlich histo­rische Zeit dann noch andere Gedanken und Methoden eingreifen“. In einer Anmerkung dazu erwähnt er „das Schwanken der historischen Nationalökonomie zwischen Hegelscher Dialektik, Comtescher Orga- nologie und Naturgesetzlichkeit, klassisch-nationalökonomischem und psychologischem Rationalismus“. Nach dem Zusammenhang seiner Darstellung sieht er die „historische“ Nationalökonomie offenbar als einen jüngeren und schon darum, zugleich auch wegen ihrer Inkon­sequenz, wenig beachtenswerten Zweig des Positivismus an. Natürlich kann man über diese Auffassung nur lächeln. Tröltsch erwähnt von der historischen Nationalökonomie allerlei, nur das nicht, was ihren Mutterboden ausmacht. So wenig man die eklektische Art bei Schmoller, zum Teil auch bei andern Häuptern der historischen Nationalökonomie, wie Roscher, bestreiten wird1, so ist es doch mit Kritik s. meine Darlegungen a. a. 0., Bd. 13, S. 214 ff; Ztsehr. f. Sozialwissenschaft, 1904, S. 654 ff., S. 710 ff., S. 787 ff. Die historische Nationalökonomie weist schon vor Schmoller wirtschaftsgeschichtliche Untersuchungen und Darstellungen von wahrlich nicht geringem Wert auf, die eben auch den Zusammenhang mit den alten romantischen Studien erkennen lassen. 1 Niemand hat mehr als ich selbst auf den Eklektizismus und die gelegentlichen Zugeständnisse an Positivismus, Naturalismus, Darwinismus bei Vertretern der historischen Nationalökonomie, vor allem bei Schmoller, aber auch bei K. Bücher und anderen, hingewiesen. Ich habe bei Schmoller insbesondere auch seine inkonse­quenten Zugeständnisse an Spencer getadelt. Vgl. Ztsehr. für Sozialwissenschaft, Jahrgang 1904 (passim), Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 1907, S. 481 ff.; meine vorhin zitierten Darlegungen über historische National­ökonomie; meine „Probleme der Wirtschaftsgeschichte“ (passim); meine „Soziologie als Lehrfach“, S. 24. Allein erstens gibt es auch wirklich konsequente Vertreter der historischen Nationalökonomie (z. B. Hasbach). Zweitens ist doch auch der Positivismus, Speneerianismus bei Schmoller keineswegs Ausgangspunkt und eigentliche Grundlage. Wenn er mehrfach der positivistischen Selbsttäuschung- verfallen ist, so hat er doch auch wieder mehrfach die Selbsttäuschung, in der sich die Positivisten befinden, nachgewiesen (sehr wirksam und mit großem Beifall z. B. auf dem Innsbrucker Historikertag). In seinen Arbeiten über preußische Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte bewährt er viel echten historischen Sinn. Und wenn ich — namentlich gegenüber seinen Arbeiten über mittelalterliche Ver­hältnisse und seine literargeschichtlichen und theoretischen Erörterungen — eine

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