Historische Blaetter 2. (1921)

G. v. Below: Zur Geschichte der deutschen Geschichtswissenschaft

mit größtem Eifer die Abhängigkeit der geschichtlichen Erscheinungen von den wirtschaftlichen Verhältnissen betonen und dies in eigen­artiger Weise tun. Wenn aber darüber kein Zweifel bestehen kann, so geht doch Tröltsch mit den obigen Sätzen über die von der Forschung schon behandelte Frage leicht hinweg, ob wirklich erst mit Marx und Engels eine im vollen Sinn als ernst zu bezeichnende Berücksichtigung der wirtschaftlichen Momente innerhalb der Ge­schichtschreibung einsetzt. Um bei der keineswegs uninteressanten wirtschaftsgeschichtlichen Literatur des 18. Jahrhunderts nicht zu verweilen, so liegt bei Tröltsch eben doch eine sehr ungenaue Reminiszenz vor, wenn er die Würdigung der wirtschaftlichen Tatsachen innerhalb der roman­tischen Geschichtsliteratur mit der Wendung „einzelne Historiker der Romantik“ beiseite schiebt. Von vornherein finden wir bei Niebuhr Anschauungen, die wir wohl programmatisch nennen können, über den Zusammenhang der Wandlungen der Verfassung mit den gesellschaftlichen Zuständen, über das fortschreitende Aufsteigen der niedem Schichten des Staatsvolks zur Gleichheit der Rechte mit den hohem Klassen, über die Wirkungen des ungeheuren • An­wachsens des beweglichen Kapitals auf die Gliederung der Gesellschaft, über den Mißbrauch der Vorrechte seitens der herrschenden Klasse und die daraus hervorgehende wirtschaftliche Not, über die Aufgabe der Bevorrechteten, durch die Befriedigung der Forderungen der auf­steigenden Klassen dem Staat neue Kräfte zuzuführen. Gerade seit Nie­buhr, der das Verhältnis an dem Beispiel der römischen Plebejer schil­derte, ist uns ja die Anschauung geläufig, daß: aufsteigende Klassen durch Aufnahme in den politischen Rechtskreis für den Staat gewonnen werden und daß sich dadurch die politische Leistungsfähigkeit erhöht. Diese Anschauung gehört zum festen Bestand der Argumente der Vorkämpfer für die konstitutionelle Verfassung während des 19. Jahr­hunderts. „Man könnte bei Niebuhr Anstoß an der einseitigen Her­vorkehrung der wirtschaftlichen Zustände nehmen. Allein ... die Ab­sicht ging auf gleichmäßige Berücksichtigung der wirtschaftlichen wie der geistigen Kultur“1. Verwandte Anschauungen finden wir bei einem andern Begründer der romantischen Geschichtsforschung, C. F. Eichhorn. „Seine eigene Lebenskraft bewährt der gesellschaftliche Zustand“ — so schildert 1 M. Ritter, Die Entwicklung der Geschichtswissenschaft, S. 324 ff. S. auch Heft 1, S. 9, A 2: Ktintzels Abhandlung; Preuß. Jahrbücher, Bd. 185, S. 16.-4 A O

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