Historische Blaetter 2. (1921)
G. v. Below: Zur Geschichte der deutschen Geschichtswissenschaft
Zur Geschichte der deutschen Geschichtswissenschaft von G. v. Below II. Soziologie und Marxismus in ihrem Verhältnis zur deutschen Geschichtswissenschaft. Wir haben früher davon gesprochen, daß die romantische wissenschaftliche Arbeit in der historischen Rechtsschule ununterbrochen fortgeht und daß in dieser insbesondere auch die organische Auffassung fortdauernd vertreten worden ist. Wir können diesen Satz dahin verallgemeinern, daß das, was später als „Soziologie“ auftritt, in seinen brauchbaren Elementen nichts weiter als eine Fortsetzung dieser alten romantischen Studien ist. Soweit Comte etwas Brauchbares bietet, ist er, wie wir schon andeuteten, Ableger der historischen Rechtsschule. Diese von mir wiederholt vertretene Meinung hat im Zusammenhang mit der andern, daß eine besondere Wissenschaft der :„Soziologie“ nicht notwendig sei, weil die wertvollen soziologischen Erkenntnisse seit den Tagen der Romantik im Rahmen der einzelnen alten Diszj^ plinen gewonnen worden sind und noch heute gewonnen werden, im Lager der berufsmäßigen „Soziologen“ lebhafte UnwiHensäuß'erungen. hervorgerufen. Aber die Tatsachen, auf die ich hingewiesen habe, lassen sich nicht aus der Welt schaffen. Und wir können auch aus dem Lager der „Soziologen“ selbst Äußerungen anführen, die unsere Auffassung stützen. Vollkommen stimmt mit uns der Nationalökonom 0. Spann überein, der sich als „Soziolog“ bezeichnet, aber regelrechter Nationalökonom, also Vertreter einer alten» Sonderdisziplin ist. Er betont aufs stärkste die Bedeutung der Romantik für den Fortschritt der Erkenntnis innerhalb seiner Disziplin (wohl noch stärker als ich), und zwar gerade für die soziologische Betrachtungsweise innerhalb der Nationalökonomie l. Aber auch Soziologen, die nicht darauf aus sind, die Be1 Vgl. meine „Parteiamtliche neue Geschichtsauffassung“, S. 17 und 20. 0. Spann, Jahrbücher für Nationalökonomie, Bd. 115, 1920, August-Heft, S. 165: „Die Staatsund Sittentheorie Platons, Aristoteles’, Augustins, Macchiavellis enthält unendlich viel mehr wahre Gesellschaftslehre als all die Wissenschaft der groben englischen Naturalisten und der feinen französischen Aufklärer, welche schließlich die moderne