Historische Blaetter 1. (1921)

Alfred Stern (Zürich): Wit von Dörring in österreichischem Dienst

allen und jeden Einfluß! Daß die Regierung als solche, daß der Polizei­minister namentlich keine einleitenden Schritte tun darf, ist klar. Jede derartige Koncession würde als Schwäche betrachtet werden. Aber den­noch muß etwas geschehen und hierin gerade erkannte ich die Haupt­aufgabe meiner inländischen Tätigkeit. Mit und unter der Polizei zu wirken ist unmöglich, am wenigsten, wie zuletzt bezweckt wurde, als eine geheime Preßpolizei. Gewirkt muß aber werden, und deshalb habe ich mich in jenem Aufsatz ganz offen ausgesprochen, fest und ent­schieden, unterstützt von Ihrem moralischen Gewicht. Denn wozu das traurige Faktum leugnen, daß Sie, Herr Graf, der einzige Minister sind, der noch ein solches besitzt. Ausgestattet mit der Kenntnis alles dessen, was vorgeht, hoffe ich einen Einfluß wiederzugewinnen, der heute schon sehr nützlich, unter trüberen Aussichten unentbehrlich sein wird. Die Sprache, die ich in jenem Aufsatz geführt, mag zu scharf und undiplomatisch, das heißt ungeschickt sein, aber die Ansicht so wenig wie die zum Grunde liegende Absicht ist, den Intentionen des Grafen Rechberg, ja, ich wage weiter zu gehen, ist denen S. Majestät des Kaisers nicht unwürdig und widersprechend. Besitze ich nach dem Vor­bemerkten noch das sachliche Vertrauen E. Excellenz, denn deren persönliches kann und werde ich nie verscherzen, so bitte ich ehrer- bietigst, daß meine Stellung klar werde. Es ist unangenehm beim Ausgang aus dem Leben, nach fast dreißigjährigem Waffenstillstand wieder dem liberalen Schmutz sich ausgesetzt zu sehen. Aber das schwächt nicht, das erkräftigt meine Tätigkeit. Anders aber hier, wo von Anbeginn an die Organe des Polizeiministers es sind, die mich hinterwärts mit Schmutz, mit Koth bewerfen und in allem lähmen. Gott behüte mich den treff­lichen, mir persönlich so wohlwollenden Baron Thierry deshalb anzu­klagen. Es ist der alte, unsaubere Geist, der noch fortspukt und in dem Unklaren meiner Tätigkeit und persönlichen Stellung Unterstützung findet. Haben Euer Excellenz die Gnade, mit dem gebührenden Ernst, ja selbst mit Strenge diesen Konflikt zu prüfen, der, wie bemerkt, nicht bloß aus unziemlichem Eifer hervorgegangen, sondern absichtlich von mir hervor­gerufen ist. Eventuell bitte ich, die Sache S. Majestät dem Kaiser unterbreiten zu wollen. Denn der huldreiche Empfang desselben, das persönliche Vertrauen, welches Allerhöchstdieselben mir ausgesprochen, haben mich persönlich verpflichtet und gefesselt«. Ob und eventuell was Graf Rechberg auf dies Schreiben geantwortet hat, ist mir nicht bekannt. So viel aber steht fest: die Lage Wit von Dörrings blieb ebenso schwierig wie vorher. Nicht nur, daß es ihm an den nötigen Hilfsmitteln fehlte: er sah sich Angriffen in auswärtigen 62

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