Pester Lloyd-Kalender 1861 (Pest, 1861)

Pester Lloyd-Kalender für das Jahr 1861. - Geschichte des Jahres

64 Geschichte des Wahres. Werkzeuge des Tuilerienkabinetes her: und noch vor Ende November legte Garibaldi sein Commando nieder, für welchen Verlust Victor Emmanuel ihn durch Wiedereinsetzung in die Würde eines piem outest scheu Generallieutenant's und durch Ernennung zum kö­niglichen Adjutanten zu entschädigen suchte. Be­reits am 5. Dezember löste Fanti überdies das Corps der Garibaldi'schen Guiden auf, das mei- stentheils aus den Söhnen reicher lombardischer Grundbesitzer bestand; auch wurden einige Officiere der Ligaarmee, angeblich wegen mazzinistischer Ge­sinnung verhaftet. Garibaldi selber begab sich nach seinem Gütchen aus der sardinischen Insel Caprera und ihat seinen Landsleuten von Nizza in einem offenen Schreiben zu wissen: ,,er sei zurückgetreten, weil eine elende und arglistige Politik den Gang der italienischen Angelegenheit verwirre; er be­schwöre die Italiener, sich um Victor Emmanuel zu schaaren, der es ehrlich meine; er werde wieder­kehren, sobald der König zu den Waffen rufe." Mit Garibaldi war der letzte Störenfried entfernt, jede Besorgniß für den Rest des römischen Gebie­tes entfernt, eine Bürgschaft dafür gegeben, daß Frankreich fortan keine revolutionären Ziele in Ita­lien mehr verfolge: während gleichzeitig die Ein­setzung der ProreLentschaft in London als die beste Garantie dafür aufgefaßt ward, daß Napoleon dem , Satze „Italien solle in Zukunft nur den Italienern gehören" seine Zustimmung ertheile. Alles athmete Friede und Eintracht; der politische Himmel strahlte im reinsten Blau und das letzte Wölkchen am fer­nen Horizonte war verschwunden. Oesterreich und Frankreich erließen ihre Einladungen zum Congresse in Paris, die im Laufe des Dezem­ber allseitig acceptirt wurden: und Napoleon machte Lord Cowley sogar den Vorschlag, die W c st­ur ächte sollten sich zur Einweihung dieses Areopages über eine gemeinsame Entwaffn u n g ver­ständigen. Allerdings gelang cs dem Kaiser nicht, durch diese Finte die jenseits des Kanales immer noch fortdauernde Freiwilligen-Bewegung zum Still­stände zu bringen, oder die beschlossene Verstärkung der britischen Armee um 35 Bataillone zu hinter­treiben. Doch antwortete Palmerston's Organ „Mor- ning Post" in der höflichsten Weise: „unsere Rü­stungen beruhen nicht auf Frankrcich's militärischen Vorbereitungen, sondern auf der, von der wechseln­den Stärke unseres Nachbars ganz unabhängigen Erkenntniß der Unzulänglichkeit unserer bisherigen Vertheidigungsmitiel." Da ward am heiligen Abend in Paris eine, von dem Staatsrathe Laguerronniere verfaßte Bro- chüre „der Papst und der C o n g r e ß" veröf­fentlicht, deren Erscheinen wie mit Einem Zauber­schlage die ganze Situation von Grund aus um­gestaltete. „Wie in den Herzogthümern — das war der Kern des Pamphletes — so sei auch in der Romagna einzig und allein eine freiwillige Restauration zulässig. Weder könne Frankreich selber zu Gunsten der früheren Zustande interve­nieren, noch dürfe es eine Einmischung Oesterreich's dulden, da das Aufhören der österreichischen Herr­schaft in Italien eben den Kampfpreis des vorigen Feldzuges bildete. Nur das im Congreß vereinigte Europa fei zu einer rechtmäßigen Intervention be­fugt: der Pariser Congreß habe volles Recht, die Schöpfungen des Wiener Congresses abzuändern, um so mehr als diesmal eine, von der 1815 ge­troffenen abweichende Entscheidung bezüglich Bolog- na's gar nicht, wie vor 45 Jahren, als man die Legationen vom Königreiche Italien trennte, den Charakter einer Losreißnng an sich tragen, sondern einfach eine vollendete Thatsache registriren würde. Ueberdies habe die Erfahrung gelehrt, daß die weltliche und die geistliche Herrschaft des Papstes nur dann miteinander vereinbar feien, wenn die zeitliche Macht der Kirche auf die rein municipale Aufgabe die Stadt R o m zu regieren, beschränkt werde. Das Präsidium des italienischen Bundes einerseits, andererseits die vertragsmäßig festzustel­lenden Geldtribute aller katholischen Staaten wür­den dem heiligen Vater reichlich ersetzen, was er auf solche Weise an politischem Einflüsse und finan- i zielten Hilfsquellen einbüße." Sofort zeigte sich, daß der Zusammentritt des Congresses eine Unmög­lichkeit sei, wenn die französische Regierung sich nicht zu einer officiellen Desavouirung dieses Schrift­stückes herbeilasse. Als der Papst am Neujahrstage 1860 den General Goyon und die Officiere der französischen Garnison in Rom empfing, sprach er sich rückhaltlos dahin aus: „die Brochürc sei ein Denkmal der Heuchelei, ein unwürdiges Gewebe von Wider­sprüchen ; er hoffe, der Herr werde den Kaiser erleuch­ten und ihn n o ch über die Falschheit der in dem Pamphlete aufgestellten Grundsätze aufklären — er denke, Napoleon müsse jene Principien umsomehr ver­dammen, als Pius IX. Aktenstücke besitze, welche der Beherrscher Frankrcich's ihm in früherer Zeit zuge- ftcllt habe und in denen die betreffenden Maximen verurtheilt würden." Bald nachher beschloß das Car- dinalöcollegium: „es sei die Abreise Antonelli's nach Paris aufzuschieben bis zur feierlichen Anerkennung der weltlichen Rechte der Kirche als Basis jeder Con- greßberathung; die Armee zur Vertheidigung der In­tegrität des Kirchenstaates zu vermehren; über den Inhalt der Brochüre in einer solennen Encyclica der Stab zu brechen." Statt aber dem Begehren einer Desavouirung zu willfahren, ihat Napoleon vielmehr Alles, um die Welt jzu überzeugen, daß Laguerron­niere wirklich im allerhöchsten Aufträge geschrieben. Noch in der ersten Iannerwoche mußte W a l e w s k i, der dem Nuntius Sacconi auf dessen Jterpellation die Versicherung ertheilt hatte, so lange er am Rudersei, werde das in der Brochüre entworfene Programm

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