Pester Lloyd-Kalender 1859 (Pest)

Pester Lloyd-Kalender für das Jahr 1859 - Geschichte des Jahres

Geschichte des Jahres. 149 gung aller Racen uni Confessionen bei der Besetzung der Aemter; Amnestie für Alle, die nicht direkt an der Ermordung von Europäern theilgenommen haben ; für die Führer und Anstifter der Rebellion, sowie für Jene, die wissentlich Mörder beherbergt haben, Gewährlei­stung des Lebens und möchlichst milde Bestrafung; unbedingte Verzeihung für alle Uebrigen, die bis zum 1. Jänner 1859 in ihre Heimath und zu ihren fried­lichen Beschäftigungen zurückkehren" — das sind die Hauptbestimmungen dieser magna charta für die Reorganisation Ostindiens. Gleichzeitig erließ unter dem 26. Oktober Lord C l y d e einen Aufruf an das Volk vonOude, worin er demselben, nach Ablauf der nassen Jahreszeit, meldete, daß er komme, um die Ordnung in dem Königreiche wiederherzustel­len. „Wo auch nur Ein Flintenschuß gegen meine Truppen abgefeuert wird — sagt der Oberbefehlsha­ber — werden die betreffenden Ortschaften angezün­det und der Plünderung preisgegeben werden; da­nach mögen die größten Talukdars wie die geringsten Ryots sich richten." Das Maß der Schwierigkeiten, denen der Cheftommandant bei dieser seiner zweiten Campagne in Oude begegnen wird, wird offenbar von dem mehr oder minder beruhigenden Eindrücke ab- hängen, den die königliche Proklamation vom 1. No­vember ausgeübt hat. Im Voraus läßt sich darüber unmöglich aburtheilen: leider scheint es aber nach den Auslassungen angloindischer und hindostanischerBlät­ter, daß derselbe nicht der beste gewesen ist. Man hatte eine weitere Ausdehnung, namentlich aber eine prä- cisere Fassung des königlichen Gnadenaktes erwartet. Man findet, daß der Ausdruck „Führer und Anstif­ter der Rebellion", denen nur das Leben garantirt wird, sehr unbestimmt und vieldeutig ist; und hatte überdies gehofft, so manche Confiscationen der letzten Jahre rückgängig gemacht zu sehen, wovon gar keine Rede ist. Wahrscheinlich wird daher in Oude sowie in den anstoßenden Distrikten von Rohilkund im Norden, von Bundelkund und Centralindien im Westen und Süden dieses Königreiches nochmals das Schwert zu entscheiden haben, wenngleich der Ausgang des Kam­pfes nicht zweifelhaft sein kann. Noch decidirtere Resultate als auf der indi­schen Halbinsel hat das Jahr 1858 in China her- beigesührt, wo Frankreich aktiv und Rußland sowie Amerika durch Entsendung vvn Geschwadern, die-eine passive, aber zuwartende Haltung beobachteten, sich an den, im Oktober 1856 von Sir John Bowring begonnenen Kampf angeschloffen hatten. Die Blo- kadeerklarung, welche Admiral Seymour am 10. August 1857 gegen den Fluß und Hafen von Can- ton erlassen, wiederholte am 10. December der fran­zösische Admiral Rigault de Genouilly: zur Führung der Unterhandlungen standen den beiden Seemännern Lord Elgin und Baron Gros zur Seite, während Admiral Putiatin als Vertreter Rußlands und Mr. Reed als Repräsentant der Vereinigten Staaten sich mehr im Hintergründe hielten. Briten und Franzo­sen fanden, daß der Worte genug gewechselt waren. Am 15. December besetzten sie die Insel Honan in der Mündung des Cantonflusses ; am 26. landeten 4600 Briten unter dem Befehle des Generalmajors v. Straubenzee und 900 Franzosen; zwei Tage später begann das Bombardement von der Land- und See­seite ; am 29. ward Canton mit Sturm genommen, während die verbündeten Flotten die Goughsforts am Strome in die Lust sprengten. Am 5\ Jänner er­folgte der Einzug demenglisch-französischen Truppen in die Stadt und die Gefangennahme des kaiserlichen Commissärs Ueh, der an Bord des englischen Kriegs­schiffes „Inflexible" geschafft ward; am 9. wurden die Zügel der Regierung wieder in die Hände der chinesischen Behörden gelegt, doch so, daß der bishe­rige Gouverneur der Provinz Kwangtung, der Tata­rengeneral Pih-Kwey, unter Oberaufsicht eines eng­lisch-französischen Rathes als Vicekönig eingesetzt ward. Die Befehlshaber hofften, mit diesem Einen Schlage zum Ziele zu gelangen nnd verkündeten be­reits am 25. Jänner, daß mit dem 10. Februar die Blokade von Canton aufhören solle; nur für die Stadt sammt ihren Vorstädten ward das Kriegsgesetz beibehalten. Aber wahrend sie vergebens auf Nach­richten aus Peking harrten, vergebens Botschaften entsandten, die weiter nördlich mit Commiffarien des kaiserlichen Hofes Zusammentreffen sollten, machten die „Braven" von Canton Angriffe auf das britisch­französische Lager, suchten die Truppen der Verbünde­ten zu überrumpeln, ihre Schiffe mittelst Höllenma­schinen eigner Erfindung in Brand zu stecken - - kurz, Pih-Kwey und selbst Ich von dem „Inflexible" aus conspirirlen, bis man Elfteren ebenfalls arretirte und Letzteren nach Calcutta schickte. Endlich überzeugten die Alliirten sich, daß sie mit fernerem Zuwarten nichts erreichen würden und brachen nach dem Peihoflusse auf, an dem Peking liegt und vor dessen Mündung sie im Mai Anker warfen. Da ihr Ultimatum auch jetzt noch ohne Antwort blieb, stürmten die englisch-fran­zösischen Truppen am 20. Mai die von 138 Kanonen vertheidigten Forts an dem Ausflüsse des Stromes und segelten dann weiter Peiho-aufwärts,. Nun erst entschloß sich der Sohn des Himmels, mit Lord Elgin und Baron Gros in Unterhandlung zu treten: zwei kaiserliche Commissarien, Mandarinen ersten Ranges, bequemten sich endlich, nach Tientsin zu kommen, wo am 8. Juni die Negociationen zwischen ihnen und den Bevollmächtigten der Westmächte begannen. Hier kamen am 13. Juni die Friedens-und Freundschafts- Verträge des himmlischen Reiches mit Rußland und mit den Vereinigten Staaten, dann am 26. und 27. Juni mit Frankreich und Großbritannien zu Stande. Rußland hatte dabei das Prävenire gespielt. Noch während des orientalischen Krieges hatte Rußland nämlich den Pekinger Hof zu sehr bedeutenden Ge­bietsabtretungen am unteren Amur in der Mandschu­

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