Pester Lloyd-Kalender 1859 (Pest)

Pester Lloyd-Kalender für das Jahr 1859 - Geschichte des Jahres

140 Geschichte des Jahres. anttern — während die walachische Versammlung sich auf die Ausarbeitung einer Denkschrift beschränkte, in welcher das Unionsprojekt näher begründet ward und die am 18. November von dem Plenum Ein­stimmig acceptirt wurde. In Byzanz hatte man wah­rend dieser Zeit nur den Einen Punkt im Auge, die Sitzungen der Divans ad hoc möglichst schnell zu beendigen. Am 1. December zeigte Ali Pascha den europäischen Mächten in einem Rundschreiben an, die Pforte werde die Mission jener Körperschaften als abgethan betrachten und zu deren Entlassung schreiten, sobald die Commission der sieben Unter­zeichner des Pariser Friedens, die gleichzeitig in Bu- kurest tagte, ihren definitiven Bericht aufgesetzt und an die Mitglieder der Conferenz eingereicht haben werde. Kaum war dies geschehen, als auch schon am 11. December in Constantinopel der Ferman zur Auflösung beider Divan's unter Zustimmung der Vertragsmächte unterzeichnet ward. Am 24. Januar 1858 erfolgte die Veröffentlichung des Fermans in Bukurest, am 25. in Jassy : nnd dies war der Stand, in welchem sechs Monate sväter die Pariser Confe­renz die Fürstenthümer - Reorganisations - Frage vorfand. Die Pforte mußte um so froher sein, dieselbe einstweilen beseitigt zu haben: als mit der Agitation in der Moldau und Walachei bedenkliche Wirren in Serbien, blutige Kämpfe gegen Montenegro, so wie bewaffnete Ausstände der Rajah in Bosnien und in der Herzegowina Hand in Hand gingen; und als zugleich das Tuilerienkabinet die Verhandlungen über die Verwirklichung des im Märzverkrage proklamirten Principes der freien Donauschiffsahrt zur Lockerung der zwischen Serbien und den Fürstenthümern Einer-, der suzeränen Macht andererseits bestehenden Bande auszubeuten trachtete. Was zunächst Serbien anbe­langt, so waltete dort seit lange offenkundiger Zwie­spalt zwischen dem Fürsten Alexander Karageorge- witsch und dem aristokratischen Senate, der — nachdem die allgemeine Landesversammlung der Skuptschina in Vergessenheit gerathen war — eigent­lich die Zügel der Regierung und namentlich die Schlüssel zum Gelde führte. Beide Theile hatten es kein Hehl, daß sie gegenseitig danach strebten: der Senat dem Fürsten auch noch das letzte Titelchen von Macht zu entreißen ; der Fürst, sich durch einen Staats­streich gegen die Oligarchie zu einem thatsächli- ch e n Herrscher aufzuschwingen. Unter solchen Um­ständen und bei dem, durch keine öffentlichen Gerichts­verhandlungen aufgeklärten Geheimnisse, welches die Vorgänge des Herbstes von 1857 in dem Fürsten- thume überdeckt, kann es daher kaum Wunder neh­men, wenn in weiten Kreisen Serbiens fort und fort der Glauben herrscht, die Verschwörung gegen sein Leben, von der Alexander am 9. October dem Se­nate Anzeige machen ließ, sei nichts anderes als ein Phantasiegebilde gewesen, mittelst dessen er sich der seine Gewalt einengenden Constitution so wie aller ihm feindlichen Senatsmitglieder auf Einen Schlag zu entledigen wünschte. Wie dem nun sein mag: gewiß ist so viel, daß auch bei diesen Ereignissen der Finger Rußland's unverkennbar ist und daß das in­terventionslüsterne Frankreich sofort wieder mit ei­nem, gegen das Vorgehen des Fürsten gerichteten Proteste bei der Hand war. Trotz seines anfängli­chen Sieges stellte sich daher bald heraus, daß Ale­xander die Rechnung ohne den Wirth gemacht, um so mehr als diesmal die Pforte ebenfalls Anstalten traf, die Zerwürfnisse zwischen dem Fürsten und Se­nate zur festeren Begründung ihrer eigenen Lehnsherr­lichkeit in dem Vasallenstaate zu benutzen. Der That- bestand ist, nach den officiellen Quellen folgender. Auf einer Rundreise des Fürsten legte ein ge­dungener Meuchelmörder auf seinen Wagen an, be­sann sich jedoch noch rechtzeitig eines Besseren, warf die Flinte fort und bat, auf die Kniee sinkend um Gnade, die ihm unter der Bedingung, daß er die Ur­heber des Verbrechens angebe, gewährt ward. Gleich nach seiner Rückkehr in die Hauptstadt liest nunmehr Alexander die ehemaligen Minister und jetzigen Se­natoren Damjanowits und Jankowits, neun Tage später am 18. October auch den Senatspräsidenten Stephan Stephanowits, gleich darauf noch den Vor­sitzenden des Cassationshofes Zwetko Rajovits ver­haften und in Ketten legen. Die Regierung des Für- " sten behauptete, sich dabei auf die Festnahme derjeni­gen Senatoren beschränkt zu haben, für deren un­mittelbare Betheiligung an dem Mordplane sie Be­weise besitze: anderen sieben Mitgliedern, die angeb­lich gleichfalls kompromittirt waren, ließ sie die Wahl zwischen freiwilliger Resignation auf ihre Stellen oder Unterwerfung unter das Ergebniß der, im ent­gegengesetzten Falle einzuleitenden Untersuchung. Da sie sämmtlich das Erstere vorzogen, war der, ganze Senat gesprengt: allein nicht ohne daß sich im ge- sammten Lande Stimmen erhoben, denen zufolge der Fürst zu einem derartigen einseitigen Einschreiten gegen die Mitglieder dieser bisher allmächtigen Kör­perschaft nicht kompetent war. Ein Protest des fran­zösischen Generalkonsuls in Belgrad unterstützte diesen Einwand durch Erhebung eines Protestes, dem sein russischer. College beipsiichtete: und diese Ein­sprache griff man in Constantinopel begierig auf, um aus dem, die serbische Verfassung garantirendeu Hat­tischeriss zu deduciren, daß den gefangenen Senatoren der Appell an die lehnsherrliche Macht freistehe. Der Boden begann unter Alexander's Füßen zu wanken, noch ehe er seines Pyrrhussieges froh werden konnte: er mußte um so mehr auf seiner Hut sein, als es überdies klar ward, daß der alte Exfürst Milosch Obrenowitsch, das Werkzeug Rußlands, auf der Lauer stand, um aus diesen Complicationen für sich selber Vortheil zu ziehen. Milosch, so hieß es, habe unter die Verschworenen Geld ausgestreut und sich

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