Folia archeologica 12.
L. Vértes: Die Wandgravierungen in der Hillebrand-Jenö-Höhle
Die Wandgravierimgen in der Hillebrand- Jeno-Höh /e 9 Unsere zweite Frage: Stammen die Gravierungen von Menschenhand, oder sind sie Spuren der Bärentatzen? Die Verfasser sind sich darüber einig, daß die Krallen der Höhlenbären nur in den durch Verwitterung aufgelockerten Felswänden Spuren zu hinterlassen vermochten, 8 die vom Kalkgehalt des Sickerwassers wieder gehärtet wurden. Auf der Felswand der Hillebrand-Jenö-Höhle sind wohl Spuren von Korrosionslösung, doch ist die aktuelle Oberfläche intakt, unverwittert, und auch der Travertin bedeckt sie nur wenig über den Gravierungen. Es ist schon deshalb unwahrscheinlich, daß der Höhlenbär Krallenspuren in dem harten Kalkstein zurücklassen hätte können. Wir haben aber versucht, dem Problem auch von einer anderen Seite her näherzukommen. Auf den modernen Fotografien, die uns über Bärenkratzer zur Verfügung stehen, 9 haben wir die Richtungen der einzelnen Rillen gemessen, und auch die der Gravierungen in der Hillebrand-Jenö-Höhle. Die Messungsergebnisse haben wir in Tabelle II. zusammengefaßt. In Anbetracht dessen, daß die Bärenpranke seitwärts offenbar nicht so beweglich ist — wenn das Tier auf den Hinterfüßen steht —, als wenn es von oben nach unten kratzt, nehmen wir an, daß die Krallenspuren nicht weit von der Senkrechten abweichen; die Spuren der linken Pranke werden NNÖSSWlich, die der Rechten NNW —SSÖlich gerichtet sein. Auf den Hinterfüßen stehend, kann ein Bär kaum waagerechte Ritzen herstellen. Die Menschenhand ist in jeder Richtung annähernd gleich beweglich. Kratzen wir aber „drauf los" und schwungvoll, ohne ein bestimmtes Ziel zu verfolgen, Linien auf eine senkrechte Wand, schließen die mit der Rechten gezogenen Linien -— unseren Experimenten zufolge — in der Regel einen Winkel von 60—70° ein, die mit der Linken gezogenen einen Winkel von 110—120°, sie weichen also von 90°, der Senkrechten, nach beiden Richtungen um 20—30° ab. Dazu ist zu bemerken, daß es nicht leicht ist (bzw. daß es „nicht auf der Hand liegt"), mit der Rechten von oben nach unten Kratzer auszuführen die größere Winkel als 90°, mit der Linken solche, die bedeutend kleiner als 90° einschließen. Aus unserer Tabelle geht hervor, daß die Bärenkratzer im Durchschnitt der Senkrechten näher stehen als die Linien der Gravierungen in der Hillebrand-Jenö-Höhle. Bei ersteren weichen die Linien durchschnittlich um 0,5° rechts und links von der Senkrechten ab, während die durchschnittliche Abweichung bei unseren Gravierungen 13° beträgt. Der durchschnittliche gegenseitige Unterschied der nach rechts bzw. nach links gerichteten gravierten Linien zueinander ist bei den „rechtshändigen" Gravierungen in der Hillebrand-Jenö-Höhle viel größer als bei den Bärenspuren (die Differenz zwischen den beiden beträgt 16°), während bei den „linkshändigen" die Richtung dieser letzteren abwechslungsreicher ist (um 3°). Die maximale Abweichung 8 Obermaier, H., Die Uranfänge der Gravierung und Plastik beim Eiszeitmenschen. FuF 17 (1941) 149-152.; Bandi, H. G. —Maringer, ]., Kunst der Eiszeit. (Basel 1952) S. 95.; Abel, O. Das Reich der Tiere, Tiere der Vorzeit in ihrem Lebensraum. (Berlin 1939) S. 26. 9 Bandi, H. G. — Maringer, /., а. а. О. Fig. 120 aus der Betharram-Höhle.; Abel, О., а. a. O. S. 26 aus der Drachenhöhle und Abel, O. —Kyrie, G.—etc., Die Drachenhöhle bei Mixnitz. (Wien 1931) Tafelband, Taf. XXII, Fig. 2; Taf. XXVII, Fig. 1.