Evangélikus Élet, 2014. július-december (79. évfolyam, 27-52. szám)

2014-11-02 / 44. szám

Evangélikus Élet NÉMET OLDAL 2014. november 2. »■ 5 Wittenberg - das „lutherische Mekka“? Wittenberg - diese Stadt ist für uns Lutheraner ein bisschen „unser Mekka“, viele von uns waren schon einmal dort oder würden gern dahin fahren. Wir benutzen in unse­rer ungarischen-evangelischen Kirche mit Vorliebe jene Begrüssung, die auf dem Turm der Schlosskirche steht: Ein feste Burg ist unser Gott. Unsere Religionskinder kennen manchmal Luthers Familiengeschichten so, als ob sie Volksmärchen wären... Wir tragen gern die Lutherrose auf unse­rer Kleidung, und es gibt Gemeinden, wo die Kinder zur Taufe und Konfir­mation Torten mit Lutherrosen be­kommen. Beim Begräbnis eines ver­arbeitet bzw. promoviert. Mit ihnen habe ich über unser „Mekka“, die Lutherstadt Wittenberg, gesprochen. % * * Wie ist das Leben in Wittenberg, wenn man Einwohner dieser his­torischen Stadt ist? Wachsen auch schon die Kindergartenkinder in den „Luther-Kult“ hinein? Edit: Wir wohnen bereits seit über 30 Jahren in Wittenberg. Géza ist hier in den evangelischen Kindergar­ten gegangen, wurde hier auch ein­geschult und hat sein Abitur am Melanchthon-Gymnasium abgelegt. Wir als Eltern sind unseren Berufen Familie Schubert storbenen Presbyters wird oft ein Kranz mit diesem Symbol auf das Grab gelegt. Wir können ruhig sagen, dass in Ungarn ein gewisser Luther­und Wittenbergkult existiert. Das ist an sich nicht schlecht, denn man braucht immer Wurzeln. Nur wird das in Deutschland eher nicht ver­standen. Dort habe ich noch nieman­den gehört, der als Begrüssung „Ein feste Burg...“ verwendet hätte. Auch habe ich noch selten Lutherrosen auf dem Kragen gesehen oder außer­halb Ungarns eine Luther-Torte ge­gessen. Wittenberg ist anders. Die „Luther­stadt“ lebt von Traditionen und von Touristen. Von solchen Touristen, denen Luther und seine Theologie viel bedeutet, und von solchen, denen viel an den oben genannten Luther-Tra­ditionen gelegen ist. Aber ist Witten­berg wirklich so lutherisch? Bedeuten hier die Traditionen tatsächlich so viel? Ist die Stadt so religiös? Darüber habe ich mit Familie Schu­bert in Sopron geredet. Auf ungarisch, denn Edit Schubert ist eine geborene „Miskolcerin", die jahrzehntelang in Wittenberg Musiklehrerin war. Ihr Mann, Dieter, stammt aus Sachsen und arbeitete bis vor kurzem als nie­dergelassener Gynäkologe - mitten in der Altstadt von Wittenberg. Er spricht auch wunderbar ungarisch. Und sie haben einen Sohn, Géza, der zweisprachig in Wittenberg auf­gewachsen ist und zur Zeit in Wien Zweisprachige Gottesdienste am Reformationstag 31. Oktober Ágfalva 17 Uhr, Budavár 18 Uhr, Sopron 18 Uhr, Sopronbánfalva 15 Uhr nachgegangen und haben wie viele andere v.a. vor der Wende versucht, trotz der politischen Gegebenheiten ein ganz normales Familienleben zu führen. Natürlich sind wir von An­fang an in das kirchliche Leben der Stadt eingebunden gewesen. So hat gerade zu DDR-Zeiten die Kirchen­musik eine große Rolle im Kulturle­ben der Stadt, aber auch für uns selbst gespielt. Wir haben bei zahl­reichen Aufführungen der Stadt­kirchenkantorei mitgewirkt, Géza hat zudem im Posaunenchor Alt­trompete und Tuba gespielt. Géza: Inwieweit man vom Lu­ther-Kult bereits in Kindergärten sprechen kann, weiß ich nicht. Na­türlich war einem bereits als Kind be­wusst, dass man in der Stadt Luthers und seiner Wegbegleiter wohnt - mit all den Wirkungsstätten, wie z.B. der Stadt- und Schlosskirche, der Lu­therhalle, der Luthereiche (dem Ort der Verbrennung der päpstlichen Bannbulle) oder dem Bugenhagen­­saal, in dem wir regelmäßig unsere Proben der Kantorei und des Posau­nenchors hatten. Wie historisch be­deutsam diese Stadt ist, habe ich an den vielen Touristen gesehen, die nicht nur zum Reformationstag Wit­tenberg besucht haben. Da es zu DDR-Zeiten kaum Hotels in der Stadt gab, hatten wir regelmäßig Gäste aus Westdeutschland, ja sogar aus den USA, die uns über die Stadt­kirchengemeinde zugeteilt wurden. Das war schon was Besonderes. Ich erinnere mich noch (obwohl ich noch sehr klein war) an einen Foto­grafen der National Geographie, der im Lutherjahr 1983 bei uns unter­gebracht wurde - zusammen mit einer „offiziellen“ Reisebegleiterin, einer Stasi-Mitarbeiterin. Da wurde mir bewusst, welche Bedeutung Wit­tenberg für viele Menschen hat. Dieter: Nach der Wende im Jah­re 1989 wurde aber doch massiv in den Tourismus investiert. So gibt es kaum noch verfallene Häuser in der Innenstadt, viele Straßenzüge wur­den saniert, eine schöne Fußgänger­zone geschaffen. Zeitgleich begann auch die Vermarktung des Produkts „Luther“, was mitunter skurrile Zü­ge annimmt, wie z.B. Lutherbrot, Lu­therbecher (einem Likör), Luther­socken und sonstige Souvenirs. Es gibt in den Restaurants Luther-Me­nüs, auch kann man mit Herrn Lu­ther tafeln oder sich von ihm die Stadt zeigen lassen. Auf kulturellem Gebiet geschah aber auch Einiges, wie z.B. die Wiedereröffnung der Leucorea, des alten Universitäts­gebäudes. Auch gibt es regelmäßig in der Altstadt diverse Märkte und Festivals, u.a. eines der größten Stadtfeste in Deutschland, „Luthers Hochzeit". Welche Erlebnisse verbinden Sie mit „Luthers Hochzeit“? Géza: Dieses Fest gibt es seit 1993 und hat sich zu einem wirklichen Großereignis entwickelt, was immer äm zweiten Juniwochenende in der gesamten Altstadt stattfindet. Mitt­lerweile kommen an einem Wochen­ende über xoo.ooo Leute zu Besuch. Ich mag das mittelalterliche Treiben, die vielen interessanten Stände und Konzerte. Besonders schön ist es für mich, nach langer Zeit wieder alten Freunden und Bekannten zu begeg­nen, da zu diesem Ereignis viele in die alte Heimat zurückkehren. Da ich nun seit fast 10 Jahren in Wien woh­ne, ist dieses Fest ein guter Anlass, die alte Heimat in der warmen Jahreszeit zu besuchen. Das größte Highlight ist führt, so dass es nur noch wenige Gläubige in der Stadt gab und gibt. Géza: In meiner Klasse war ich der Einzige, der konfirmiert worden ist. Zudem gab es noch zwei katholische Mitschüler, was aber eher eine Aus­nahme war. Glücklicherweise musste ich nicht mehr in die FDJ eintreten und konnte in der Nachwendezeit ohne Probleme meine Konfirmation feiern. Dieter: Ein einschneidendes Erleb­nis war ohne Frage das Lutherjahr 1983, dem sich auch die DDR nicht entziehen konnte. Man kann sagen, dass Luther der erste „Kirchenmann" war, den man versuchte, in das „kul­turelle Erbe" der DDR zu integrieren. In dieser Zeit wurde die Stadt wie ein Potemkinsches Dorf ausstaffiert - es wurden die Fassaden schön ange­malt, während die Hinterhöfe fast von alleine zusammenfielen. Unver­gessen die weißgetünchte Fassade der Stadtkirche, die, nachdem vor der Stadtkirche mehrere Tonnen Braun­kohle für die Kirche bzw. die Nach­barhäuser abgeladen wurden, binnen kurzer Zeit wieder genauso grau aussah wie vorher. Seit der Wende hat man aber - Gott sei Dank - viel schöne alte Bausubstanz in letzter Minute noch retten können. Gerade jetzt wird im Hinblick auf das große Reformationsjubiläum im Jahre 2017 viel investiert und saniert. Wittenberg wird immer mehr zum Schmuckkästchen. Schade nur, dass wochentags, wenn es keine Feste gibt, in den Abendstunden im wahrsten Sinne des Wortes die Bür­gersteige hochgeklappt werden. Es wird dann ziemlich ruhig in der 48.000-Einwohnerstadt. Luthers Hochzeit 2014 sicherlich der große mittelalterliche Umzug, bei dem „Luther" und sein Hochzeitsgefolge, die Handwerker­zünfte, Bauern etc. durch die Altstadt ziehen. Welche Rolle hat Luther vor der Wende, zu DDR-Zeiten, in Witten­berggespielt? Edit: Leider hat gerade in der Ge­burtsstätte der Reformation, Witten­berg, der Kommunismus seine Spuren hinterlassen. Man kann daher auch von einer weitgehend atheistischen Stadt sprechen. Das lag v.a. daran, dass in der Vorkriegszeit, aber gerade zu DDR­­Zeiten das Chemiekombinat in Pies­teritz, aber auch andere Industriezwei­ge in der Stadt ausgebaut worden sind. Dies hatte zu einer starken „Pro­letarisierung“ der Bevölkerung ge­Gibt es viele ungarische Touristen oder Landsleute in Wittenberg? Edit: Es gibt sicherlich einige Tou­risten aus Ungarn, wobei man eher andere Sprachen in Wittenberg hört, wie z.B. amerikanisches Englisch oder Niederländisch. Im Prediger­seminar trifft man aber gelegentlich junge ungarische Pfarrer in der Aus­bildung. Da es in der DDR zahlreiche ungarische Gastarbeiter gab, blieben einige Ungarn durch Heirat in dem Land. So hatte Géza in seinem Jahr­gang an der Schule zwei Halbungarn, die aber leider kaum Ungarisch konnten. Weil nur wenige Ungarn in Wittenberg leben, fahre ich mit mei­nem Mann einmal monatlich nach Berlin, wo sich die ungarische pro­testantische Gemeinde im Grüne­wald zum Gottesdienst trifft. Man fährt zwar eine Stunde mit dem Au­to, aber es lohnt sich, da man dort mit zahlreichen Exil-Ungarn aus dem Mutterland, aber auch z.B. aus Siebenbürgen oder Transkarpatien zusammenkommt. Auch haben wir die Gemeindemitglieder letztens zu uns nach Wittenberg eingeladen, um ihnen die Geburtsstätte der Re­formation zu zeigen. Sie sprechen sehr schön Unga­risch. Wo haben Sie das gelernt? Géza: Ich bin in Deutschland zweisprachig aufgewachsen. Mein Problem war nur, dass ich von der deutschen Umgebung auch die Sprachlogik übernommen habe, was in der ungarischen Sprache durchaus ein Problem ist. Irgendwann haben meine Eltern es aufgegeben, meine typisch deutschen Fehler auszubes­sern. Daher habe ich mich während meines Studiums entschlossen, rich­tig Ungarisch zu lernen, weshalb ich für ein Jahr nach Pécs gegangen bin, was mir sehr viel gebracht hat. Nach meinem Studium war ich fast 7 Monate in Klausenburg/Kolozsvár, wo man auch sehr schön die Sprach­­kenntnisse perfektionieren kann.­­Glücklicherweise habe ich in den letzten Jahren beruflich, aber auch privat sehr viel mit Ungarn zu tun ge­habt. Sie haben gerade erwähnt, dass Sie unter anderem in Siebenbürgen stu­diert haben. Was verbinden Sie als Wittenberger mit dieser Gegend? Géza: Interessanterweise recht viel, obwohl wir dort keinerlei ver­­wandschaftlichen Bezüge haben. Man kann in Siebenbürgen oder dem Banat aber meinen beiden Iden­titäten, der deutschen und der unga­rischen, heute noch begegnen. So be­suche ich dort gerne meine zahl­reichen ungarischen, aber auch säch­sischen Bekannten. Obwohl mitt­lerweile über 95% der Siebenbürger Sachsen v.a. nach Deutschland aus­gewandert sind, sieht man immer noch die wunderschönen deutschen Dörfer und Wehrkirchen, in denen man sich um mehrere Jahrhunderte zurückversetzt fühlt. Es hat mich jedesmal fasziniert, in den alten Kirchen den lutherischen Losungen, Lutherbildern und - statuen zu be­gegnen und in uralten evangelischen Gesangsbüchern zu blättern - und dies am Fuße der Südkarpaten. Man kann auch scherzhaft sagen, dass ich in den letzten Jahren auf den Spu­ren von Honterus gewandelt bin. Er war immerhin derjenige, der in Wit­tenberg zu Luthers Zeiten studiert und den protestantischen Glauben in Siebenbürgen verbreitet hat. So war es eine glückliche Fügung, dass ich mich in den letzten 12-13 Jahren in­tensiver mit diesem Landstrich beschäftigt habe. Auch wenn ich selbst kein „Reformator” bin: Ich fühle mich in Wittenberg und in Siebenbürgen heimisch und kann verstehen, warum sich Honterus hier wie dort wohlgefühlt hat. Es verbin­det mich also sehr viel mit Witten­berg, dem heutigen Ungarn und Sie­benbürgen- nicht zuletzt wegen der beiden Sprachen und Kulturen. Vielen Dank für das Gespräch! ■ Eszter Heinrichs

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