Evangélikus Élet, 2008 (73. évfolyam, 1-52. szám)
2008-12-21 / 51-52. szám
‘Evangélikus ÉletS NEMET OLDAL 2008. december 21-28. Redakteur: Holger Mánké Mosaikstücke zum 15-jährigen Bestehen Was bedeutet es, eine Deutschsprachige Evangelische Äuslands- gemeinde in Ungarn zu sein? 1. Schmerzlicher Abschied: „Als Zeichen des Dankes und zur Erinnerung überreiche ich Ihnen dies Bild von unserer Kapelle mit einem Bibelspruch“, mit diesen Worten wurden 25 Gemeindeglieder verabschiedet. Sie sind für nur wenige Jahre nach Ungarn gekommen. In unserer Gemeinde haben sie eine Kurzzeit- Heimat gefunden, einen Ort der Begegnung mit anderen deutschsprachigen Christen und mit Gott. Nun aber gehen sie in ein anderes Land. Kinder und Erwachsene verlieren mit jedem Umzug fast alle bisherigen Freunde. 2. Pädagogische Chance: „Herr Pastor“, so fragt mich ein Grundschüler der Deutschen Schule in Budapest, „gehört der Weihnachtsmann auch zur Dreieinigkeit?“ Welch eine Chance, hiesigen Kindern von Jesus erzählen zu dürfen! Sichtlich beeindruckt zeigen sich die Schüler der 9. Klasse von dem, was der Offizier der Heilsarmee über die Arbeit mit Obdachlosen berichtet. Menschliche und soziale Not wird anschaulich. 3. Linderung mancher Not: Der mehrfach behinderte 12-Jäh- rige probiert den neuen faltbaren Rollstuhl aus, den er über unsere Gemeinde erhält. Damit kann er sich auch im Freien bewegen. Bisher war das nicht möglich! - „Erzsébet hat nie zu denken gewagt, dass sie einmal mit ihrem Sohn eine Wohnung haben kann“, so schreibt die Frau, die diese alleinerziehende Roma betreut. Damit sie diese Wohnung bekommt, musste für einige Jahre die Miete im Voraus bezahlt werden. Spenden mehrerer Gemeinden ermöglichten dies. 4. Brüderliches Miteinander: Wir sind Auslandgemeinde der EKD und zugleich eine Gemeinde der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Ungarn. Besonders freundschaftlich sind wir mit der Burggemeinde am Wiener Tor verbunden, deren Gemeindesaal unsere Gottesdienstkapelle ist. Enge Kontakte zur Heilsarmee und zur ungarischen Studentengemeinde, gemeinsame Veranstaltungen mit unseren katholischen und reformierten Brüdern und Schwestern bereichern das Gemeindeleben. 5. Engagierte Mitarbeit: „Ein Praktikant soll das Sektglas beim Staatsempfang gerade halten und Suppe bei den Obdachlosen ausschenken können.“ Diese Erfahrung machen junge Leute in unserer Gemeinde. Zusammen mit den Mitgliedern des Presbyteriums, mit den Laienpredigern Eszter und Abel Friedrich und vielen weiteren Mitarbeitern wirken Praktikanten, Vikare und jetzt die für ein Jahr entsandte Pastorin Stefanie Porr am Bau der Gemeinde Jesu mit. 6. Seelsorge an Gefangenen: „Hier ist es schön warm“, sagt der Häftling, den ich im Besuchsraum des Vácer Gefängnisses treffe. In seiner Zelle ist die Heizung völlig unzureichend. Er ist einer von vielen deutschsprachigen Häftlingen, die ich in bisher 24 ungarischen Gefängnisses besuche. Besuch des Pfarrers bedeutet, dass sich ein Häftling aussprechen kann, auch Einsatz für Erleichterungen in der meist schweren Haft, Kontaktaufnahme zu Angehörigen, Anwälten und Botschaften. In einem Gefängnis hält unsere Gemeinde regelmäßig Gottesdienste. Diesmal, es ist ja Weihnachten, geht ein Häftling (als Josef) mit unserer Praktikantin Arm in Arm (als Maria) auf Herbergssuche. Auch andere Häftlinge sind an dem Spiel beteiligt. 7. Fröhliches Feiern: Zu den fröhlichen Feiern gehörte auch das 15-jährige Jubiläum (1. Advent 2008) unserer Gemeinde als Auslandsgemeinde der EKD. Die Pfarrer Dr. Árpád Zsigmondy und Albrecht Friedrich, die die Gemeinde ehrenamtlich in den Jahrzehnten des Kommunismus durchgetragen haben, leiteten den Gottesdienst zusammen mit Bischof D. Imre Szebik, der gemeinsam mit der EKD und dem damaligen deutschen Botschafter Dr. Alexander Amot unsere Gemeinde in ihrer jetzigen Form ermöglichte. Erinnert wurde an Vikarin Beate Brauckhoff, die Pfarrer Pál Gémes und Christof Hechte1 und an unseren erster Auslandspfarrer Dietrich Tiggemann, die unserer Gemeinde die ersten Schritte beigebracht haben. Danke! 8. Ansteckender Glaube: Zum Jubiläum gab es eine Tasse mit der Aufschrift „Ein feste Burg ist unser Gott“. Diese Schrift ist so angebracht, dass nicht der sie liest, der die Tasse hält, sondern sein Gegenüber. Es ist sozusagen eine „missionarische Tasse“. Der Glaube der Gemeinde an unseren Herrn soll wie eine „ansteckende Gesundheit“ nach außen wirken, soll „gelesen“ werden von vielen, die unser Herr in seine Nachfolge ruft. Denn Er hat „ein großes Volk in dieser Stadt“ (Apg 18). Gott sei Dank! ■ Andreas Wellmer Auslandspfarrer der EKD 1012 Budapest, Logodi u. 5-7., Tel.: 212-8979, evangelischekirche@t-onli- ne.hu; www.kirche.hu Deutsche Gemeinde Budapest: Anfänge vor der Gründung Irgendwann wird die Geschichte ihren Schleier über alles gelegt haben. Dann sind die Erfahrungen und Hoffnungen, die Befürchtungen und Sorgen der Menschen zu Quellen und Fakten geworden. Aber noch können wir erzählen von der Zeit, in der der eiserne Vorhang seine Macht verlor, in der die Erwartung groß war, dass mit der Freiheit auch ein Stück Wohlstand kommt und mit dem Ende der Teilung der Welt in Ost und West ein verlässlicherer Friede und ein Stück mehr Gerechtigkeit. Es war Januar 1990. Ich trat meine erste Stelle als Pfarrer in Budapest an, einer Stadt, die ich nicht kannte, in einem Land, in dem ich noch nie war. Ich erinnere den ersten Gottesdienst: Die Organistin am Harmonium, meine beiden Kollegen, Árpád Zsigmondy und Albrecht Friedrich, Edith Takács, das treue Gemeindeglied, Martin Eberts, der Kulturattaché der Deutschen Botschaft. Hier also wollten wir Gemeinde bauen. Heute weiß ich, es war viel mehr, als ich damals sah: Es war ein glimmender Docht der nicht verlischt, ein Stück Schilfrohr, das nicht zerbricht, zu verdanken meinen beiden Kollegen und denen, die in viel schwerer Zeit durchgehalten haben. Die Zeit verging schneller damals, die Menschen waren gespannter und offener. Die junge Gemeinde schwankte zwischen Freude und Stolz und der Sorge, ob es je eine „richtige“ Gemeinde wird - dabei war sie es längst. Am Anfang standen Besuche. Mühsam zusammengesuchte Namen und Straßen, wer kennt wen, weiß von wem, hat gehört dass... Ideen über die Entwicklung der Gemeinde entstanden bei diesen Besuchen, im Gemeinde trug. Von hier gingen die Impulse aus. Lockere, entspannte Treffen mit Mitarbeitenden des Goetheinstituts, ein Gesprächskreis über politische und wirtschaftliche Themen, vorwiegend mit Mitarbeitenden der Deutschen Botschaft, eine lutherischPfarrer Andreas Wellmer, Pfarrer Dr. Árpád Zsigmondy, Bischof i. R. D. Imre Szebik, Pfarrer Albrecht Friedrich (v. I. n. r.J spräch mit den Kollegen und beim Kirchenkaffee nach dem Gottesdienst, der zum verknüpfenden Band der so verschiedenen Menschen wurde. Mitarbeitende des Goetheinstituts, der Deutschen Botschaft und Vertreter der Wirtschaft kamen dazu, genauso wie Deutsche, die schon seit Jahrzehnten in Ungarn lebten. Manche Studenten schauten vorbei und viele Touristen. Deutsch sprechende Ungarn besuchten die Gottesdienste. Eine große Spannbreite tat sich auf. Lebendigkeit und Freude an der Gemeinschaft waren Merkmale eines kleinen, aber stets wachsenden Kerns, der die Gereformierte ungarische Jugendgruppe, ein loser, sich rasch wieder auflösender Treff mit deutschen Studenten, Themenreihen über die Entwicklung der lutherischen Kirche Ungarns nach 1945, alternative Stadtbesichtigungen wie: „Auf dem Weg der Demonstrationen von 1956“, „Spuren der Türkenzeit“, „Ein Gang durch das jüdische Viertel“, „Besuche bei Künstlern in ihren Ateliers“. Gemeinschaft entstand über die konfessionellen Grenzen hinaus: Ein guter Kontakt zur deutschsprachigen reformierten und katholischen Gemeinde, der seine Spuren nicht zuletzt in freundschaftlichen Kontakten zu Prälat Franz Walper und Pfarrer Zoltán Balog hinterließ. Ende 1990 nahm die neu er- öffnete Deutsche Schule ihre Arbeit auf: In der Népstadion út, in den Räumen in denen kurz vorher noch die Schülerinnen und Schüler der DDR unterrichtet wurden. Von den 25 Schülern zu Beginn nahmen 11 am evangelischen Religionsunterricht teil. Ein Höhepunkt der ersten Jahre war der ökumenische Gottesdienst zur Wiedervereinigung. Ein stiller, ein nachdenklicher Gottesdienst. Der Emst der kommenden Zeit schien - im Gegensatz zu mancher Euphorie in Deutschland - greifbar nahe. Eine neue Teilung zeichnete sich ab: „Oben und Unten statt Ost und West?“ lautete die Überschrift meines zweiten Berichtes an die EKD im Juli 1990. Und eine neue soziale Kälte wurde spürbar. Dass Markt und Geld nicht per se schon gerecht sind, rückt erst jetzt wieder ins Bewusstsein, wo die Maßlosigkeit der Wirtschaft die Welt in eine tiefe Krise stürzt. Die Sehnsucht von damals lebt auf nach einer friedlichen Gestaltung der Welt jenseits der Systeme, in der Oben und Unten miteinander und nicht auf Kosten der anderen leben. Meine Zeit in Budapest war prägend für mein Leben und ich danke allen, die in diesen historischen Augenblicken den Grundstein gelegt haben für diese besondere Gemeinde. ■ Christof Hechtel Pfarrer der Burggemeinde 1990/91 Fürchtet euch nicht! Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren. Welche Figur in der Weihnachtskrippe möchten Sie, lieber Leser, liebe Leserin, am liebsten sein? Ochs oder Esel? Ein Engel? Maria oder Joseph? Oder gar das Jesuskind? eher Hochschätzung: Weil es in unseren Alltag „hineinplatzt“, weil es uns aus dem Alltag herausnimmt, weil alles andere plötzlich nicht so wichtig zu sein scheint, weil Nöte und Sorgen zurücktreten? Und so können wir dem nachlauschen, was diese Botschaft der Engel mit den Hirten damals angestellt haben mag. Sie bedeuteIch würde am liebsten ein Hirte sein. Mit dem „Hirten“ verbinde ich viele positive Assoziationen: ein starker, kräftiger Mann, der sich um die ihm anvertrauten Tiere kümmert, ruhig, und sorgsam. Aber waren die Hirten damals so? Nein, es waren Menschen im harten Alltag des Berufslebens stehend, um das Überleben kämpfend, die nicht mehr galten als bei uns in Deutschland Obdachlose - und sie waren ja auch Wanderarbeiter, die ständig unterwegs waren - und die wohl wenig Solidarität untereinander hatten, wo jeder gegen jeden kämpfte. Diese Hirten hatten Nachtschicht. Sie haben eine harte Arbeit. Sie tragen Verantwortung für die Schafe, die bei den Gefahren, die von wilden Tieren drohen, nicht gering ist. Sie haben viele Alltagssorgen und Nöte. Sie haben vielleicht auch Hoffnungen. Und wir? Auch wir sind Menschen im harten Alltag des Berufslebens stehend. Auch wir sind mit den Nöten und Sorgen unseres Alltags beladen: die Noten der Kinder in der Schule, die Gewalt auf unseren Straßen, die Arbeitslosigkeit, die nun auch im eigenen Umfeld ihr Opfer gefordert hat, und jetzt auch noch die Finanzkrise, die zur Wirtschaftskrise wird. Das wenige Ersparte ist dabei draufgegangen und der einstmals so sicher geglaubte Arbeitsplatz ist in Gefahr - eine tägliche Sorge. So ist unser Alltag, auch der Alltag unserer Feste. So ist für manche Weihnachten. In diesen Alltag hinein kommt Weihnachten, ist Jesus hineingeboren, ist er den Hirten damals durch die Botschaft der Engel hineingeplatzt: „Fürchtet euch nicht, ich verkündige euch große Freude!“ Plötzlich wurden die Hirten herausgerissen. Sie ließen sich herausreißen, sie waren ansprechbar auf die völlig unerwartete frohe Botschaft der Engel. Vielleicht erfreut sich das Weihnachtsfest deshalb auch heute bei vielen Menschen jedenfalls bei uns in Deutschland sol. te: Es soll nicht alles so weitergehen wie bisher. Es soll alles neu werden; der Anfang dazu ist schon gemacht. Der Heiland, der Ihr, der unser Leben heil machen wird, ist geboren. Solche Botschaft und die Begegnung mit dem, was anders ist, löst damals wie heute Furcht aus, wohl auch Skepsis und Zweifel. Auch die Hirten hatten wohl erst noch Furcht - aber das „Fürchtet euch nicht“ der Engel konnte dies aufheben. Plötzlich war alles vergessen, was sie bisher bedrängte: der Alltag, die Ängste, der Kampf aller gegen alle. In ungeahnter Solidarität machen sie sich zusammen auf, zweifeln plötzlich nicht mehr, sondern gehen „eilends hin, um die Geschichte zu sehen, die da geschehen ist“. Gottes freudige Botschaft, dass er seinen Sohn als unseren Heiland zu uns schickt, vermag alle Individualisierung, alle Angst, alle beruflichen Sorgen und wirtschaftlichen Ängste beiseite zu schieben. Es soll alles heil werden, denn Gott ist mit uns in unseren Sorgen und Nöten. Er ist ein Mensch geworden wie wir und kennt unsere Nöte und Ängste selbst. Sie sind bei ihm gut aufgehoben. Lassen wir darum die Botschaft der Engel an uns heran: „Fürchtet euch nicht, siehe ich verkündige euch große Freude!“ Diese Botschaft verbindet uns Christen weltweit - und ganz besonders die lutherischen Christen in Ungarn und in Bayern, die eine gute und in langen Jahren gewachsene Freundschaft und Geschwisterschaft verbindet. Lassen Sie uns deshalb gegenseitig Zurufen den Ruf der Engel, damit wir einander trösten und bestärken in der Gewissheit, dass unser Gott, der an Weihnachten Mensch geworden ist, uns nicht allein lässt, sondern uns immer wieder Anteil an dieser großen Freude gibt. Gott sei Dank. S Dr. Johannes Friedrich Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern