Evangélikus Élet, 2005 (70. évfolyam, 1-52. szám)

2005-10-30 / 44. szám

NÉMET MELLÉKLET / DEUTSCHE ANLAGE 2005. október 30. II "Evangélikus Élet3 Mein Traum von Kirche Freunde in Ungarn, ich habe Euer Land kennen gelernt, konnte viele gute Begeg­nungen erleben, viele gute Gespräche führen, habe tiefe und erfüllte Freund­schaft geschlossen, habe ich mit Eurer Kultur und Geschichte befasst, mit Kir­che und Literatur und wage diesen offe­nen Brief als Brückenschlag zum Refor­mationsfest, das uns verbindet. Ich bin 70 Jahre alt, war 40 Jahre lang Gemein­depastor, bin jetzt immer noch Dozent für Evangelische Theologie an der Uni­versität Flensburg und begeistert von unserem Glauben. Ich träume von einer Kirche, die die Zeichen der Zeit erkennt, ohne sich zu­rück zu ziehen in die Katakomben der Vergangenheit. Ja, ich träume von einer Kirche die die Herausforderungen unse­rer Welt mutig aufnimmt, die Fragen durchdenkt und die Probleme ernst nimmt, vielleicht sogar Antwort riskiert und anbietet als Orientierungshilfe für die aufgescheuchten Seelen der Menschen. So träume ich von einer Kirche, die zunächst wieder in die Schule des Berg­predigers geht, um die Botschaft der Se­ligpreisungen und des Vaterunsers, die Botschaft von den Vögeln unter dem Himmel und den Lilien auf dem Felde und vom wichtigen Fundament des Glaubens neu zu hören, zu dolmetschen mit „Herzen, Mund und Händen“, wie es im Choral heißt. Ich träume von einer Kirche, die das Wesen der Reformation neu entdeckt. Es darf nicht um abgestandene Konser­vendosen der Dbgmatik gehen, sondern um die frischen Früchte des Evangeli­ums. Gottes Wort ist immer neu. So je­denfalls sahen es Luther und Calvin. Wir machen einen großen Fehler, wenn wir sie zu Heiligen der Protestanten ernen­nen. Sie waren Scouts, Pfadfinder der Nachfolge und öffneten die Tür zu Glau­be und Freiheit, Liebe und Gerechtigkeit. Trotz oder wegen meines Alters, trotz oder wegen meiner Erfahrung träume ich von einer Kirche, die das Lächeln lernt. Christen sollten am Lächeln er­kannt werden, an der Freundlichkeit, am Humor, an der Geduld, an der Offenheit, an der Freude über die Frohe Botschaft und an der Zärtlichkeit im Alltag im Umgang mit Menschen und im Umgang mit der Kreatur. Ich träume von einer Kirche, die offe­ne Türen hat für alle Menschen. Wo die Liturgie nicht reserviert ist für Insider und die Bänke nicht Männer von Frauen trennen. Wo die Gesänge nicht mehr den Mief der Veraltung verbreiten, son­dern den Ozon des Aufbruchs. Wo alte Menschen die Jungen willkommen heißen, ohne Bedingungen Zu stellen. Wo die Generationen Frieden schließen zur Ehre Gottes. Wo die Ökumene als Bereicherung erlebt wird und nicht als Bedrohung. Ich träume von einer Kirche, die Wor­te wie Gnade und Vergebung, Frieden und Freiheit, Gerechtigkeit und Ehr­furcht nicht nur lehrt, sondern lebt. Ich weiss, dass das Kraft kostet und vor al­lem Demut. Es kostet auch Zeit, es ko­stet auch Gebet und Hoffnung. Aber da­von leben wir doch. Ich träume von einer Kirche, die die Sitzungen und Konferenzen reduziert zugunsten der Seelsorge, die die Geld­sorgen relativiert zugunsten der Liebe zum Auftrag. Ich denke vor allem an die Kinder, die unseren Schutz und unsere Obhut so dringend brauchen. Unsere Kirchen sind nicht wichtig, wichtig sind die Menschen, für die wir da sind. Unse­re Kirchen werden zum langweiligen Museum, wenn wir nicht die Inspiration Gottes willkommen heissen. Ich träume von einer Kirche, die die Bibel wieder entdeckt. Nicht als papier- nen Papst der Protestanten, sondern als aufgeschlagenes Buch der Duzfreund­schaft mit Gott für den Bestand des Le­bens, für die Werte des Menschen, für den Trost in Leid und Tod und für die Verantwortung für die Schöpfung. So träume ich von einer Kirche, die sich die reformatorische Kraft bewahrt: Solus Christus - sola gratia - sola scrip- tura - sola fiderChristus allein, allein aus Gnade, allein die Schrift, allein durch Glauben. Das ist bleibendes Geschenk des 16. Jahrhunderts. Es geht um Maß­stab und Autorität. Genau das ist we­sentlich in einer Zeit der Materialisie­rung, der Gewalt, der Oberflächlichkeit und der Angst. Ich träume von einer Kirche, die die Fenster und Türen öffnet, nicht nur, um Menschen willkommen zu heissen, son­dern um frische Luft zuzulassen. Dazu muss man auf viel verzichten: Auf Macht, auf Einfluss, auf Rechthaben wollen, auf Bestandssicherung, auf Al­leinansprüche und auf das Jammern. Ich träume von einer Kirche, die aus der Liebe lebt und nichts anderes will als diesen Frieden verbreiten. ■ Peter Spangenberg Das Evangelium in der Muttersprache Die Deutschsprachige Evangelische Gemeinde in Budapest ► Wenn man weit entfernt von sei­ner Heimat lebt und arbeitet, sucht man selbstverständlich die Plätze mit Freude auf, wo auch andere die eigene Muttersprache sprechen. Weil unsere Leser über die Buda- pester Deutschsprachige Refor­mierte Gemeinde schon öfters le­sen konnten, stellt sich nun „ihre Schwester“, die Deutschsprachige Evangelisch-lutherische Gemein­de in der Budaer Burg durch ein Gespräch mit Pfarrer Andreas Well- mer vor. Er blickt zunächst auf die Anfänge der Gemeinde zurück:- Die Deutschsprachige Evangelische Gemeinde in Budapest gibt es in der heutigen Form seit 1993. Sie ist eine der insgesamt etwa 160 Auslandsgemeinden der Evangelischen Kirche in Deutsch­land (EKD), die damit an vielen Orten der Welt deutschsprachigen Menschen eine kirchliche Heimat ermöglichen will. Die Anfänge der Gemeinde gehen jedoch bis in die Mitte des 19. Jahrhun­derts zurück. Für die Zeit des 20. Jahr­hunderts sind vor allem zwei Namen zu nennen: Pfarrer Albrecht Friedrich und Pfarrer dr. Árpád Zsigmondy. Beide haben sich für eine deutschsprachige Gemein­de auf dem Burgberg eingesetzt. Sie sammelten Menschen zu einer Ge­meinde - vor, während und nach der kommunistischen Zeit. So entstand eine deutschsprachige Gemeinde, aus der mit Hilfe des damaligen deutschen Botschaf­ters Dr. Alexander Amot und der EKD kurz nach der politischen Wende schließlich die heutige EKD-Auslands- gemeinde wurde. Pfarrer Dietrich Tigge- mann hat als erster EKD-Auslandspfarrer zusammen mit dem Kirchengemeinde­rat dieser Gemeinde ein solides Funda­ment gegeben. Im Jahr 2000 ist er mit seiner Familie wieder zurück nach Deutschland gegangen.- Wenn ich mich nicht irre, waren Sie schon früher öfter außerhalb Deutschlands tätig. Warum haben Sie sich nun für das „Paris von Ost-Europa“ entschieden?- Ich habe zwar noch nicht als Pfar­rer im Ausland gearbeitet, aber ich ha­be in einigen afrikanischen und asiati­schen Ländern Gemeindearbeit kennen lernen können und mich schon immer für christliches Engagement im Aus­land interessiert. Als ein Pfarrer für die Budapester Gemeinde gesucht wurde, haben wir (meine Frau und ich) uns ge­meldet und uns gefreut, dass wir mit der Aufgabe betraut wurden, die gute Arbeit von Pfarrer Tiggemann weiter zu führen. Das im Herzen Europas gelegene Bu­dapest ist „nur“ 1300 km von Nord­rhein-Westfalen entfernt, wo ich bisher tätig war. Es ist daher noch gut möglich, mit unseren drei erwachsenen Töchtern (31, 29, 27 Jahre) und manchen Freunden in Verbindung zu bleiben. Außerdem ist Ungarn kein ganz fremdes Land mit völlig anderer Kultur, sondern eher vertraut, eben europä­isch. Eine besondere Herausforderung besteht darin, dass unsere Gemeinde, anders als die Gemeinden in Deutsch­land, ausschließlich auf Mitgliederbei­träge und Spenden angewiesen ist. Sie erhält von der EKD keinerlei finanzielle Unterstützung, abgesehen vom Pfar­rergehalt. Rechtlich ist unsere Aus­landsgemeinde eine „normale“ Kir­chengemeinde der Evangelischen Kir­che von Ungarn. Bischof D. Imre Szebik ist auch unser Bischof.- Ich kann mir vorstellen, dass Ihre Familie die Idee, dass Sie in Ungarn leben sollten, doch nicht so begeistert aufgehommen hat...- Unseren drei Töchtern ist dies nicht leicht gefallen, da die Kontaktmöglich­keiten durch die Entfernung doch einge­schränkt sind, aber sie haben unsere Ent­scheidung akzeptiert. Es war auch für meine Frau, die ur­sprünglich Lehrerin für Mathematik, Sport und Religion ist, eine Umstellung. Sie hat aber auch hier lohnende Aufga­ben gefunden. So hilft sie z.B. bei der Bü­roarbeit, leitet einen Gemeindekreis, singt im Chor und kümmert sich um zahlrei­che Gäste und Gruppen, die zu uns kom­men. Unter ihrer Leitung treffen sich Frauen zu so genannten „Frauen-Früh- stückstreffen“. Die Form ist in Deutsch­land recht bekannt. Frauen hören einen Vortrag und besprechen Lebensfragen beim gemeinsamen Frühstück am Tisch.- Wie groß ist die Gemeinde jetzt?-Jetzt haben wir etwa 150 Mitglieder aus den deutschsprachigen Ländern Österreich, Deutschland und sogar aus den Niederlanden. Ihnen allen ist wich­tig, dass sie in ihrer eigenen Sprache von Gott und vom Leben im Glauben hören können. Auch wenn einige Gemeinde­glieder ungarische Ehepartner haben, wird bei uns fast ausschließlich Deutsch gesprochen. Insbesondere die mit Un­garn verheirateten Gemeindeglieder bleiben für lange Zeit im Land. Die mei­sten Gemeindeglieder leben leider nur für eine kürzere Zeit in Budapest, solan­ge sie hier einen Arbeitsauftrag haben. Dadurch gibt es eine ständige Fluktuati­on, die aber die „normale Gemeindear­beit“ nicht behindert. Dazu gehört z.B. Gottesdienst als Zentrum des Gemeindelebens mit Fami­lien- und Kindergottesdienst, Mutter- Kind Gruppe (zu ihr kommen auch un­garische Frauen, damit ihre Kinder etwas Deutsch lernen), Bibelkreis, Studenten­kreis, Studentengottesdienst, Konfirma­tionsunterricht, Religionsunterricht und Schulgottesdienst an der Deutschen Schule Budapest, Gemeindechor, gele­gentlich ein Instrumentalkreis, Gefäng­nisseelsorge (Besuche von deutschspra­chigen Häftlingen in allen Haftanstalten Ungarns, Gefängnisgottesdienste für deutschsprachige und ungarisch spre­chende Häftlinge) Besuche, Seelsorge, Taufen, Trauungen, Beerdigungen etc. In allen Bereichen wird die Gemein­dearbeit vom alle zwei Jahre neu zu wählenden Kirchengemeinderat unter­stützt. Eine besonders große Hilfe ist na­türlich der schon erwähnte Pfarrer Al­brecht Friedrich, der Gottesdienste hält und manche seelsorgerliche Aufgaben übernimmt. Überdies werden zwei jun­ge Gemeindeglieder zurzeit von der EKD als Laienprediger ausgebildet. Zu uns kommen viele einzelne Touri­sten, aber auch Gruppen, die speziell die Gemeinde kennen lernen wollen. Als von der EKD entsandter Pfarrer kommen mir auch manche Repräsentationsaufga­ben zu, wenn z.B. eine Delegation aus Deutschland kommt... Eine Auslandsgemeinde hat auch so­ziale Aufgaben. Wir unterstützen einige bedürftige Personen, auch die große Ar­beit einer Zigeunermissionarin, die Tä­tigkeit der Heilsarmee unter Obdachlo­sen, gelegentlich versuchen wir auch, Arbeit zu vermitteln, etc.- Ich habe so gehört, dass es im Herbst auch mit einem neuen Projekt angefangen wird.- Ja, im November startet ein „Glau­benskurs“. Wir möchten solche Men­schen dadurch erreichen, die sich für das Leben als Christ interessieren, aber oft nur wenig über die Grundlagen des Glau­bens wissen und sich für Glaubensfragen interessieren. Zum Bekanntmachen oder „zur Werbung“ der Veranstaltungen un­serer Gemeinde nützen wir auch die deutschen Zeitungen in Budapest.- Haben Sie gemeinsame Projekte sowohl mit Ihrem „Gastgeber", mit der ungarischen Ge­meinde an der Burg, wo Sie in der Kapelle jeden Sonntag um 10 Uhr Gottesdienst feiern kön­nen, als auch mit der Deutschsprachigen Refor­mierten Gemeinde und mit der Deutschsprachi­gen Katholischen Gemeinde in Budapest?- Mit den anderen zwei deutschspra­chigen Gemeinschaften haben wir nicht einfach nur losen Kontakt. Viele Veran­staltungen (z.B. Ostern, Heiligabend, Schulgottesdienst, Martinsumzug, öku­menisches Gemeindefest, Willkommens­fest etc.) feiern wir regelmäßig zusammen. Die ungarische Burggemeinde und auch die ungarische Evangelisch-Luthe­rische Kirche hilft uns in vielen kleinen und großen Fragen sehr, damit wir uns hier in Ungarn zu Hause fühlen und im Glauben miteinander verbunden sind. Ich freue mich, dass wir an diesem guten Miteinander teilhaben dürfen. ■ Zsuzsanna Gazdag Pfarrer Andreas Wellmer erreichen Sie unter der Telefonnummer: +36 1/212-8979. E-mail: evangel@hu.inter.net Anspiel im Familiengottesdienst

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