Friedrich Würthle: Ergänzungsband 9. Dokumente zum Sarajevoprozeß. Ein Quellenbericht (1978)
Die Attentäter der „Mlada Bosna”
18 bindung mit Belgrad und Mitglied der Geheimorganisation .Schwarze Hand“. Von Luka Jukic wird man noch hören, und zwar beim Besuch der Agramer Studenten — unter ihnen waren nicht wenige Bosnier - in Belgrad. Als Organisatoren dieses Ausfluges nannte Mirjana Gross31) „dalmatinische Nationalisten“, und als solche zählte Dedijer die Organisatoren der Sarajevoer Krawalle, Oskar Tartaglia, dann Tin Újévié und Vladimir Cerina. „Unter der Führung zweier regierungstreuer Professoren schlossen sich auch Mitglieder der Jungkroaten und der Klerikalen der Exkursion nach Belgrad an . . . die Urheber dieses Ausflugs, die dalmatinischen Studenten, hatten andere Hoffnungen, die durch die große südslawische Manifestation in Serbien weit übertroffen wurden. Im ganzen waren es ungefähr 150 Studenten . . . Schon als der Zug das Gebiet des .versklavten' Österreich-Ungarn verließ, um in das .freie' Serbien einzufahren, bemächtigte sich der Jugendlichen eine tiefe Gemütsbewegung. Die Kroaten, deren Staat nur noch in verstaubten Pergamenten existierte, hatten die Serben seit je um ihren Staat beneidet. Wie groß auch immer seine Unzulänglichkeiten und Schwächen sein mochten - es war ein selbständiger Staat, wie ihn die Kroaten in der Monarchie nie erreichen konnten. Es ist daher psychologisch erklärlich, daß die Jugendlichen aus Kroatien, durch den begeisterten Empfang und ihre Erlebnisse in Serbien gestärkt, den serbischen Staat als .Piemont' zu betrachten begannen. Der Präsident des kroatischen Studentenhilfsvereines . . . küßte die serbische Fahne bei seiner Rede auf dem Bahnhof in Belgrad, während er später . . . der Hoffnung Ausdruck gab, daß Peter Karadjordjevic bald auch .unser', d. h. der kroatische König sein werde . . . Die Jugendlichen lernten ihre Kollegen und auch serbische nationalistische Offiziere kennen und viele von ihnen wurden durch die Atmosphäre mitgerissen . . ,“32). Der österreichische Gesandte in Belgrad stellte fest, daß weder die studentischen Kreise noch die Professoren im Vordergrund „dieses enthusiastischen Empfanges“ standen, sondern das Offizierskorps33). Und im Hintergrund stand, wie der Gesandte richtig bemerkte, die Geheimorganisation ,Cma ruka‘. Bei dieser mit ungebräuchlichem Aufwand inszenierten „akademischen Staatsaktion“ kam es, wie schon vorher bei anderen Gelegenheiten, zu brüderlich-jovialen Kontakten der jungen Bosnier mit den Offizieren der .Schwarzen Hand'. Damals wurde der bosnische Student Luka Jukic dem Chef der Geheimorganisation, Oberstleutnant Apis-Dimitrijevic, durch Oskar Tartaglia, den Organisator der Sarajevoer Tumulte, vorgestellt. Zwei Versionen geben Auskunft über die Art und Weise, wie das vor sich ging. Die erste stammt von Tartaglia selbst und besagt, dieser habe Jukic bei Apis einge31) Mirjana Gross Die Welle. Die Ideen der nationalistischen Jugend in Kroatien vor dem 1. Weltkrieg in österreichische Monatshefte 1968 (Heft 2) 65—86. 32) Ebenda. 33) ÖUA n. 35/7: Bericht des Gesandten Ugrón, 1912 Mai 11. Oberst Cedomir A. Popovic, Mitglied des obersten Zentralkomitees der ,Crna ruka', erklärte: ,Die Revolutionäre Serbiens können ruhig vor jedes objektive Gericht treten und eingestehen, daß auch die ersten terroristischen Versuche in Bosnien-Herzegowina die Folge der Annäherung und der kameradschaftlichen Zusammenkünfte der südslawischen Jugend aus Österreich-Ungarn mit den serbischen Offizieren waren. Es sind alle jene, welche sagen, daß die revolutionäre Jugendbewegung in Bosnien aus sich selbst heraus entstanden sei und selbständig, unbeeinflußt vom revolutionären Belgrad, gehandelt habe, im großen Irrtum oder aber sie wollen etwas vertuschen': Popovic unter dem Pseudonym Marco in Nova Europa (Zagreb 1927); siehe auch Gooß 195.