Fritz Reinöhl: Ergänzungsband 7. Geschichte der k.u.k. Kabinettskanzlei (1963)

VII. Kurzbiographien der Leiter der Kabinette, der Kabinettsdirektoren und der Sektionschefs - 1. Die Leiter der Kabinette und die Kabinettsdirektoren

355 darf. Er betraute ihn wiederholt, namentlich bei der Bildung der Mini­sterien mit den Verhandlungen mit den vorgesehenen Persönlichkeiten. 1871 — Hohenwarthkrise — soll er einen Hauptanteil an der Bildung eines ultramontanen Ministeriums gehabt, unterstützt von Erzherzogin Sophie auf den Kaiser eingewirkt haben122 *). Er soll wiederholt in Un­gnade gefallene Minister, so Graf Beust, im Auftrag des Kaisers zu ihrem Rücktritt bewogen haben 12S). Diese Entwicklung ist von großer Bedeu­tung geworden, da die Stellung des Kabinettsdirektors in diesem geweite­ten Maße fortan erhalten blieb. Um die Entwicklung der Kabinettskanzlei hat sich Braun dauernde Verdienste erworben; er setzte beim Kaiser als Anstellungserfordernisse besondere Fachkenntnisse durch, er war be­strebt, bei Neuaufnahmen darauf zu sehen, daß nicht nur alle Sprachen der Monarchie sondern auch alle Sparten der öffentlichen Verwaltung zur Geltung kamen124); unter ihm erhielt der Dienst in der Kabinetts­kanzlei seine endgültige Formung125). Die Zeichen der kaiserlichen Gunst, die ihm schon vor seinem Eintritt in die Kabinettskanzlei, am 7. November 1861, die Erhebung in den Ritterstand gebracht hatte, blie­ben denn auch fernerhin nicht aus. Am 21. Februar 1867 wurde Braun der Titel und Charakter eines Staatsrates verliehen 126), am 14. Dezember 1868 wurde er zum Geheimen Rat ernannt127) und am 17. April 1873 zeichnete ihn der Kaiser mit dem Kommandeurkreuz des Stephansordens aus, was am 4. Juli 1873 die Verleihung des Freiherrnstandes nach sich zog 128). Am 23. April 1883 ernannte ihn der Kaiser auch zum Kanzler des Ordens vom Goldenen Vlies 129). Ein dauerndes Leiden erzwang am 18. Dezember 1899 die Versetzung des hochbetagten Mannes in den Ruhe­stand. Franz Joseph kargte nicht mit Dankesbezeugungen; er verlieh dem Scheidenden die Brillanten zum Großkreuz des Leopoldsordens und ge­währte ihm zu seinem Ruhegenuß eine hohe Pensionszulage. Überströ­mend — besonders eindrucksvoll, wenn man des Kaisers verschlossenes Wesen sich vor Augen hält — sind die Worte des kaiserlichen Handschrei­bens, mit dem Braun in den Ruhestand versetzt wurde. Da sie zudem auch Aufschluß über seine Stellung zum Monarchen geben, seien sie hier angeführt: „... sehe Ich Sie mit tiefempfundenen Bedauern von Meiner Seite scheiden. Mit Meinem vollsten und stets reichlich verdienten Ver­trauen ausgezeichnet waren Sie Mir durch eine ungewöhnlich lange Reihe von Jahren ein treuer, selbstloser und bewährter Berather, in vielen 122) p. Wertheimer, Andrassy, Bd. 1, S. 557. iss) s. Anm. 120. 124) Vgl. S. 317. !25) S. S. 64 ff. 126) B 79 s in Direktionsakt 2/1867. 127) Direktionsakt 17/1868. iss) Direktionsakt 3/1873. ia») B 20 s an Braun, Sep. Bill. Prot. 23*

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