Fritz Reinöhl: Ergänzungsband 7. Geschichte der k.u.k. Kabinettskanzlei (1963)

IV. Der Geschäftsgang - 3. Das Kabinett Josephs II. und die Kabinettskanzlei bis 1918 - d) Die sachliche Bearbeitung; die Verfassung, Überprüfung und Genehmigung der Konzepte; der Ausfertigungsbefehl

242 Ebenso gingen Polzers Nachfolger vor. Bei beiden Gruppen von Vorträgen, den sogenannten Kurrentakten und den Separatakten, fand im Kabinett keine sachliche Bearbeitung statt151). Die Entschließungen wurden von den Vortragenden Stellen im Wortlaut beantragt; das geschah zumeist auf einem eigenen Blatt. Die Auftragung der Entwürfe der Entschließungen auf die Extraktbögen nahm Thiel zu einem guten Teil selbst vor, bei von Lanckoronski oderGrünne bearbeiteten Vorträgen diese oder Beamte ihrer Kanzleien. Thiel oder die von ihm hiemit beauftragten Sekretäre oder Kon­zipisten vermerkten links „Erledigung nach dem Anträge“, „Erledigung nach dem (vorgelegten) Entwürfe“, oder „Alternative Erledigung“, wenn zwei verschiedene Entschließungen zur Entscheidung dem Kaiser unter­breitet wurdenlä2). Kabinettsdirektor Braun ging von dem Brauch ab, den Resolutionsentwurf selbst aufzutragen; er überließ dies den Extrahen­ten und dabei ist es weiterhin geblieben. Auf Reisen kam es vor, daß der Entwurf der Entschließung nicht aufgetragen sondern nach eingeholter Entschließung dem Extraktbogen beigeheftet wurde; auf diesem findet sich dann der Vermerk „Der ah. paraphirte Resolutionsentwurf liegt angeheftet bei“ 153). Bei in Tabellenform erstatteten Vorträgen enthielt die letzte Rubrik den Wortlaut der von der Vortragenden Stelle bean­tragten Entschließung; unter dem Wort Erledigung stand dann „Geneh­migt“, etwa noch mit einer die eine oder andere beantragte Entschließung abändernden Bemerkung; aber auch Entschließungen, welche die in den Tabellen erstatteten Anträge zusammenfassen, kommen vor 154). Eine dritte, zahlenmäßig die größte Gruppe des Einlaufes bildeten die an den Monarchen gerichteten Bittschriften 165). Man unterschied wie schon erwähnt, bei diesen die sogenannten meritorischen Bittschriften, das waren jene, welche sachliche Bitten, wie z. B. um Standeserhebungen, Nach­sicht oder Umwandlung von Strafen, Übernahme der Taufpatenstelle durch den Kaiser, Erhebung einer Gemeinde zur Stadt dem Monarchen unterbrei­isi) Ganz vereinzelt finden sich solche z. B. bei Sep. Akt 209/1859, einem Vortrag des Oberstkämmerers über eine Nachtragsdotation für die Hofoper. Hier vermerkt Thiel links, wo sonst der Vermerk Erledigung steht: „Hierüber dürfte noch der Finanzminister vernommen werden am 30. juli 1859, Thiel“ und schreibt selbst rechts den Entwurf des Handschreibens an diesen. 152) Sep. Akt 96, 225, 281, 326/1859. iss) z. B. Kurr. Akt 3632/1866, Sep. Akt 453/1866 und die übrigen von dieser Reise Franz Josephs nach Prag stammenden Akten. isi) z. B. K. Z. 1104, 1108, 1113, 1116/1918. 155) An Literatur hiezu seien genannt: Schiessl in Steinitz, Erinnerungen an Franz Joseph I., S. 358—360, Ders., Kaiser Franz Josephs letzte Arbeits­stunde in Neues Wiener Journal 25. 12. 1935, Kirigin, Kaiser Franz Joseph am Schreibtisch in Reichspost Nr. 237 vom 18. 8. 1936, Kray, Im Dienste der Kabinettskanzlei S. 25 f., 28—30, 85 f., R. Ehrhart, Im Dienste des alten Öster­reich, Wien, 1958, S. 106, vgl. ferner Aufzeichnung Kirigins Nr. 2 in Nachlaß Reinöhl, Schachtel 4.

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