Fritz Reinöhl: Ergänzungsband 7. Geschichte der k.u.k. Kabinettskanzlei (1963)

II. Der Monarch und seine Stellvertretung

112 Apostolischen Majestät“ 121 122). Der Kaiser zog auch weiterhin seinen Bru­der Erzherzog Karl Ludwig — er unterfertigte Erzherzog Karl — und seit Juni 1866 auch seinen zweiten Bruder Erzherzog Ludwig Viktor — er unterschrieb Erzherzog Ludwig — zur Erledigung minder­wichtiger Gegenstände heran. Die altgewohnte Unterfertigungsklausel wurde beibehaltenm). Nach dem am 19. Mai 1896 erfolgten Tod des Erzherzogs Karl Ludwig zog der Kaiser dessen Sohn und nunmehrigen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand zu dieser Aufgabe heran123). In den Jahren 1901 bis 1905 übergab der Erzherzog Be­gnadigungsgesuche seinem Vertrauten, dem späteren Ministerpräsiden­ten Max Vladimir Freiherrn von Beck, zur Abgabe seines juristischen Urteiles 124). Franz Ferdinand trat in diesen Belangen auch unmittelbar mit der Regierung in Fühlung. So veranlaßte er 1913, da er festgestellt hatte, daß die ihm zur Erledigung zugefallenen Gnadenanträge bedeut­samen Umfang annahmen, den Ministerpräsidenten Grafen Stürgkh, die Ressortminister zu verständigen, die Zahl der Unterbreitungen durch sorgfältige Auswahl der nicht voll gerechtfertigten Ansuchen zu ver­mindern 125 *). Gänzlich überließ Franz Joseph seinem Neffen die Angele­genheiten des Denkmalschutzes128). Wenn der Erzherzog im Ausland weilte, blieben die ihm zugewiesenen Akten entweder liegen, oder der Kaiser zog sie an sich 127). Franz Ferdinand baute seinen Wirkungskreis allmählich zu einer bedeutenden Stellung aus. Am 28. März 1898 zur Disposition des Allerhöchsten Oberbefehls gestellt und August 1913 zum Generalinspektor der bewaffneten Macht ernannt, war er, wenn auch an die Befehle des Kaisers gebunden, doch in allen Belangen des Heeres und der Marine die bestimmende Kraft geworden. Sein Rat war aus­schlaggebend bei der Ernennung des Kriegsministers, des Chefs des Ge­121) B 103 c vom 22. 9. 1865 an Erzherzog Karl Ludwig, den Staatsrat, alle Ministerien und Zentralstellen und an das Obersthofmeisteramt zur Verständi­gung aller Hofstäbe und -Ämter. Kurr. Bill. Prot. In einem Kabinettsreferat vom 8. 6. 1867 erwähnt Braun, daß Genotte die Vorlagen an den Erzherzog besorgte, den diesfalls nötigen dienstlichen Verkehr, die Vormerkung und Evi­denthaltung der an ihn gelangenden Geschäftsstücke, Direktionsakt ZI. 9/1867. Vgl. auch Franz Joseph an Erzherzogin Sophie 3. 5. 1866, F. Schnürer, Briefe Franz Josephs an seine Mutter, München 1930, S. 352. 122) R. Lorenz, Kaiser Karl und der Untergang der Donaumonarchie, Styria- verlag, 1959, S. 17 f. Vgl. auch B 25 c vom 17. 11. 1895 an die Erzherzoge Karl Ludwig und Ludwig Viktor. 123) R. Lorenz, a. a. O. S. 24. 124) Chr. Allmayr-Beck, Ministerpräsident Baron Beck, Wien 1956, S. 57. 125) Schreiben Stürgkhs an Schiessl 5. 6. 1913, Direktionsakt ZI. 26 aus 1913. 126) Freiherr von Hussarek, Der Kaiser und seine Minister in Erinnerun­gen an Franz Joseph I., hsg. v. E. R. v. Steinitz, Berlin, 1931, S. 180, Kray, Im Dienste der Kabinettskanzlei, S. 60. 127) Schreiben des Kabinettsdirektors an Rumerskirch, mündlich an Bolfras 8. 1. 1908, Korr. 26, und 5. 9. 1908, Korr. 669.

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