Fritz Reinöhl: Ergänzungsband 7. Geschichte der k.u.k. Kabinettskanzlei (1963)
I. Die Entwicklung der Kabinettskanzlei - 1. Die Entwicklung eines Kabinettssekretariates zu Seiten des Herrschers
10 auf Hofstellen, zu geheimen Räten usw. ab. Minister und Botschafter zitterten vor ihm. Selbst Erzherzoge fanden den Weg zum Kaiser nur, wenn es Lang beliebte. Als sein Sohn Andreas vom Herzog von Savoyen zum Ritter des Mauritiusordens ernannt wurde, überreichte ihm der Kaiser am 6. April 1606 in Gegenwart aller Botschafter und des Hofes das Ordenskreuz. Bei dessen Hochzeit, die im kaiserlichen Schloß am Hradschin in Prag am 4. Juli 1606 stattfand, fanden sich Vertreter der Reichsstände, so des Markgrafen von Burgau, des Herzogs von Stettin, ein; unter den schriftlichen Glückwünschen finden sich solche von Erzherzogen und Kurfürsten. Langs Gemahlin Maria wurde, als sie sich im Oktober 1606 in München aufhielt, bei Hof empfangen. Schon am 24. Juli 1592 war Lang in den Reichs- und erbländischen Adelsstand mit dem Prädikat von Langenfels erhoben worden; nun im Höhepunkt seines Wirkens wurde er am 31. Dezember 1605 zum kaiserlichen Rat ernannt, bald darauf, 16. Februar 1606, wurde ihm das böhmische Inkolat verliehen. Auch Lang machte sich der ungeheuerlichsten Unzukömmlichkeiten schuldig. Er erwarb durch die unverschämtesten Erpressungen, durch Unterschlagungen und Wucher ein ungeheueres Vermögen, das auf mehr als 350.000 Taler geschätzt wurde. Aber auch des Verrates geheimer Sachen an die Vertreter fremder Mächte wurde er, scheinbar mit Recht, bezichtigt. Schon im Juni 1607 schien sich der Kaiser, dem allerhand zu Ohren gekommen war, von ihm haben abwenden zu wollen. Aber noch ein Jahr gelang es Lang sich zu halten, bis er endlich am 1. Juni 1608 auf Befehl des Kaisers gefangen gesetzt und ihm der Prozeß gemacht wurde. Das „Kammerdienerregiment“, das die ärgsten Mißstände gereift, eine geregelte Geschäftsgebarung am Hofe geradezu unmöglich gemacht hatte, hatte hiemit ein Ende gefunden. Kaiser Ferdinand II. bediente sich ebenfalls bis zu seinem Tod eines Kammerdieners Namens Anton Steinacker zur Erledigung seiner persönlichen Schreiben7). Der Nuntius Caraffa berichtet ferner 1627, daß der Kaiser die ihm überreichten Bittschriften zunächst niemandem übergab, sondern in sein „Cabine t“ trug. Ob hierunter nur das Schreibzimmer des Monarchen zu verstehen ist, oder ob der Begriff im Sinne einer Kanzlei zu fassen ist, läßt sich nicht entscheiden, doch wird wohl jene Deutung richtig sein8). Dafür, daß Ferdinands Nachfolger Männer ihrer nächsten Umgebung zur Erledigung ihrer Schreibgeschäfte verwendet hätten, ist kein Anhalt zu finden. Kaiser Leopold I. und sein Nachfolger Joseph I. verwahrten eine beträchtliche Anzahl von Akten und Briefen, darunter auch viele Konzepte bei sich; ein 1715 verfaßtes Ver7) Der Erzbischof von Mainz erwähnt in einem Schreiben an den Taxator der Reichskanzlei vom 15. 1. 1644, daß Steinacker nach Ferdinands Tode seine Kammerdienerstelle und „dabey versehene privatexpeditiones“ alsbald aufgegeben habe“. MEA, Reichskanzlei, Fasz. 11. 8) Hurter, Friedensbestrebungen Ferdinands II., S. 221.