Fritz Reinöhl: Ergänzungsband 7. Geschichte der k.u.k. Kabinettskanzlei (1963)

Einleitung

2 als er zur Erledigung seiner „aigenen gemeinen und geheimen händlen“ nötig erachte, zu ernennen4). Besondere Beachtung verdient das Recht des Kanzlers auch die in des Kaisers eignen Sachen ausgehenden Stücke zu fertigen'), sowie das immer wieder an die Sekretäre und Schreiber er­gehende Verbot, ohne Wissen des Kanzlers zu Hofe zu gehen; ein deut­licher Ausdruck des Strebens des Erzkanzlers nach Kenntnis aller auch der geheimsten Schreiben des Kaisers und ein Beweis der steten Vereit­lung dieser Versuche. Einen tiefen Einschnitt in die Geschäftsführung am österreichischen Hofe bedeutete das Jahr 1526, die Erwerbung Böhmens und Ungarns 5 *). Der Wahl Ferdinands zum Könige Böhmens waren lange Verhandlungen über die Erledigung der böhmischen Geschäftsstücke gefolgt, welche mit der Belassung der böhmischen Hofkanzlei in Prag endeten, während bei Hof zu deren Erledigung eigene böhmische Sekretäre aufgestellt wur­den, welche dem Vorstande der österreichischen Hofkanzlei untergeord­net waren. Das Widerstreben der böhmischen Stände hiegegen führte spätestens 1528 dazu, daß diese Unterordnung ein Ende fand. In dieser böhmischen Schreibstelle bei Hof möchte ich eher — wie Fellner-Kretsch- mayr 8) — eine am Hofe befindliche Expositur der böhmischen Hofkanz­lei als ein Kabinettssekretariat erblicken, wie es Tezner getan hat7). Hiefür scheint mir die anscheinend nach 1539 erfolgte Unterordnung die­ser Kanzleiabteilung unter den böhmischen obersten Kanzler, sowie der Umstand zu sprechen, daß ihr Geschäftskreis über den einer bloßen Schreibstelle hinausging; denn ihr oblag nicht allein die bloß schriftliche Erledigung aller an den König einlangenden Sachen, sondern auch deren sachliche Bearbeitung. Alle jene Expeditionen, die des Majestätssiegels bedurften, also alle gewichtigen Rechts- und Gnadensachen mußten dem obersten Kanzler, den der König im Einvernehmen mit den Ständen er­nannte und der auf den König und das Land vereidigt war, zur Besieg­lung und Unterfertigung vorgelegt werden. Diese Kennzeichen heben diese böhmische Kanzlei am Hofe über ein Sekretariat hinaus, machen sie zu einer Abteilung der auf der böhmischen Verfassung beruhenden Prager Hofkanzlei. Daß diese Kanzlei zugleich auch die Tätigkeit eines Kabinettssekretariates für die böhmischen Länder zu erfüllen hatte, geht aus dem Zwecke ihrer Errichtung hervor. Die Verlegung der Residenz nach Prag durch Rudolph II. machte dem Bestände dieser Abteilung 4) Ebenda S. 88. 5) Über die Entwicklung am Hofe Karls V. s. A. Walther, Kanzleiordnungen Maximilians I., Karls V. u. Ferdinands I. im Archiv für Urkundenforschung, Bd. 2, S. 335 ff. «) a. a. O., S. 180. 7) F. Tezner, Die Landesfürstliche Verwaltungsrechtspflege in Österreich vom Ausgang des 15. bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. Wien 1898, Bd. 1, S. 146 und O. Peterka, Rechtsgeschichte der böhmischen Länder in ihren Grund­zügen dargestellt, II. Bd., Reichenberg, 1928, S. 86.

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