W. Wagner: Ergänzungsband 6. Die obersten Behörden der k.u.k. Kriegsmarine 1856-1918 (1961)

1. Die Trennung des Marineoberkommandos vom Armeeoberkommando

1. Die Trennung des Marineoberkommandos vom Armee­oberkommando. Die Unterstellung der österreichischen Kriegsmarine unter das Armeeober­kommando hatte naturgemäß immer wieder zu Reibungen und Schwierig­keiten geführt, die sich seit der Amtsübernahme des Bruders des Kaisers, Erzherzog Ferdinand Max, am 10. September 1854 *) immer mehr steigerten, zumal die Marine unter seiner von großem Enthusiasmus getragenen Tätigkeit sich in rascher Entwicklung befand 2). So fügte der Erzherzog-Marineoberkommandant seinem am 20. Februar 1856 in Befolgung eines Erlasses der Zentralkanzlei des Kaisers vom 15. No­vember 1855 vorgelegten ausführlichen Elaborat über die Organisation der Kriegsmarine 3) die Bemerkung hinzu, man solle daraus entnehmen, auf welch unbestimmten Normen die Marinekorps beruhen, wie viele Bestimmungen bereits außer Kraft gesetzt und wie viele durch die geänderten Verhältnisse und die Vergrößerung der Marine bereits reformbedürftig seien. Man arbeite daher beim Marineoberkommando mehrere auf militärisch-summarische Prinzipien gegründete Vorschläge aus, die im Falle der Genehmigung die Marine wieder auf fester geregelte und den Verhältnissen angemessene Grund­lagen stellen würden. Daraufhin ersuchte die Zentralkanzlei bereits am 2. März das Armeeoberkommando, die baldige Einsendung der angekündigten Vor­schläge zu betreiben. Dieses Elaborat liegt uns leider nur in Form eines undatierten und un- signierten Reinkonzeptes 4) vor. Ausgehend von dem Umstand, daß die bis­herigen Verhältnisse durch Hemmung der Geschäftsleitung sowohl in mariti­mer wie in finanzieller Hinsicht einer erfolgreichen Entwicklung der Marine im Wege standen, eine geordnete Tatkraft lähmten und viele reiflich überlegte Anträge zum Scheitern brachten oder zumindest so weitgehend modifizierten, daß der beabsichtigte Zweck nicht erreicht werden konnte, fordert Erzherzog Ferdinand Max die Beseitigung des maßgebenden Einflusses der Landarmee, die mit dem Wesen der Marine nicht zureichend vertraut sei. Vermöge ihrer besonderen Beschaffenheit und der speziellen Bedürfnisse müsse die Marine eine ebenso selbständige Stellung erhalten, wie andere durch Ministerien oder Zentralstellen geleitete Zweige des staatlichen Organismus. In allen anderen Staaten sei dies praktisch durchgeführt, selbst in Preußen, wo die Marine eine recht untergeordnete Bedeutung besitze. In Österreich dagegen sei die Marine nur als eigene Branche der Landarmee behandelt, ihre Angelegenheiten würden durch verschiedene Abteilungen des Armeeoberkommandos erledigt, was zu vielen Hemmungen führe. Bis 1848 habe sich dieser Übelstand weniger aus­Wagner, Die obersten Behörden. 1

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