Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)
V. Rechts-, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte - 51. Karl Bednar (Wien): Zur mittelalterlichen Besiedlungs- und Grundbesitzgeschichte der Schneeberggegend
36 Bednar, nun jenen Siedlungsnamen zu, welche mit einem Rufnamen als Bestimmungsort gebildet sind; denn in diesen Fällen verrät uns der Ortname entweder unmittelbar den Rufnamen des Bestifters selber jenes fraglichen Ortes oder doch den Namen des „Vaterortes“, von welchem aus die jüngere Siedlung begründet wurde. Nunmehr soll im nachstehenden der Versuch unternommen werden, von den frühesten in unmittelbaren Quellen ausdrücklich bezeugten Grundherren des Ortes Willendorf am Frauenbach *) nördlich von Wiener Neustadt eine Brücke zu schlagen zurück zu jener geschichtlichen Person, deren Rufname Willa sich bis heute in jenem Ortsnamen erhalten hat; auf diesem Wege soll es uns gelingen, womöglich die Familienzugehörigkeit dieser Willa festzustellen und die Reihe der Grundherren zwischen ihr und den ersten ausdrücklich genannten Grundbesitzern zu bestimmen. Die älteste unmittelbare Quellennachricht über Willendorf am Frauenbach * 2) bringt der Stiftbrief von Kleinmariazell in Nieder Österreich, welcher mit dem 2. Februar 1136 datiert ist; wohl ist das Original desselben nach der Aufhebung des Stiftes in Verschollenheit geraten; aber der Herausgeber des Erstdruckes des Urkundentextes B. Pez 3) scheint das damals ja noch vorhandene Original benützt zu haben 4). Nach den Untersuchungen von 0. v. Mitis 5) über die Textgestalt dieses Stiftbriefdruckes gibt der Textinhalt und seine Gestalt keinen Anhalt zur Annahme einer Verunechtung. Laut dieser vom Herzog besiegelten Urkunde gehören nun zu den ursprünglichen Stiftungsgütern des erwähnten Klosters u. a. auch 7 Hufen in einem Willendorf6): es ist begreiflich, unter dem Willendorf des Stiftbriefes von 1136 den nicht allzu weit von Kleinmariazell entfernten Ort am Frauenbach zu verstehen. Die genannten Hufen dortselbst waren nach dem Wortlaut des Stiftbriefes ein Zubehör der Burg Schwarzenburg oder Nezta 7), welch letztere ebendort ausdrücklich als elterliches Erbe der beiden Klosterstifter Heinrich und Rapoto bezeichnet wird; nach der ganzen Sachlage darf angenommen werden, daß auch der Besitz zu Willendorf zu diesem Erbe der Stifter gehört habe. Heinrich und Rapoto sind natürlich Angehörige des Hauses der Schwarzenburger oder der Haderiche und waren durch ihren Vater Haderich (IV.) Enkeln eines Haderich (III.) von Kamp, bzw. Hadersdorf8). Nun hatte schon 1937 Mitscha-Märheim 9) darauf verwiesen, daß die Gattin dieses Haderich (III.), des väterlichen Großvaters der Stifter von Kleinmariazell, eine Tochter des Grafen Rapoto von Cham gewesen sei, nach welchem als seinem eigenen mütterlichen Großvater Haderich (IV.) wiederum seinem Sohne Rapoto diesen Rufnamen gegeben hatte. Ebenfalls nach Mitscha-Märheims erwähnter Arbeit 10) wäre aber Graf Rapoto ein Sohn einer Angehörigen des Geschlechtes der sogenannten chiemgauischen Sigeharde gewesen, welche Dietpald (I.), Grafen im schwäbischen Augstgau, den Vater des Grafen Rapoto, geheiratet habe; für x) Außer diesem Orte Willendorf am Frauenbach gab es einst in Niederösterreich noch drei weitere Siedlungen gleichen Namens, u. zw. das (ebenfalls heute noch bestehende) Willendorf in der Wachau, ferner das ehemalige Willendorf am Wienerberg (bei Altmannsdorf in Wien, XII.; vgl. Fontes 11/18, S. 328), schließlich Willendorf hinter Stockerau (zwischen Niederfellabrunn und Karnabrunn einst gelegen; vgl. Arch. f. Kde. öst. Gesch.-Qu. 1849, S. 128). 2) Der Frauenbach ist einer der zwei Quellbäche des Fischaflusses. 3) Tesaurus anecdot. VI/1, pg. 320, Nr. 97. 4) A. v. Meiller, Regesten etc. S. 22; einen Wiederabdruck des Textes bei Pez brachte Pfarrer O. Eigner in seiner „Gesch. d. aufgehobenen Benediktinerklosters Maria-Zell in Österreich“ (1900). 5) Studien zum älteren österreichischen Urkundenwesen, S. 248 f. 6) O. Eigner, a. a. O., S. 10. 7) Das heutige Nöstach liegt an der Straße von Altenmarkt nach Alland, westlich von Kleinmariazell. 8) Vgl. neuestens die Stammtafel der Haderiche bei C. Plank, Siedlungs- und Besitzgeschichte der Grafschaft Pitten, S. 83. 9) Mitscha-Märheim, Monatsblatt d. Vereines f. Geschichte d. Stadt Wien 1937, S. 136, Anmerkung 17. 10) A. a. O., S. 136, Anmerkung 14.